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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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nen Lebens darüber schweigen, es verbergen, wie groß die Qual ist, die mich<br />

zerfrißt. Denke aber nicht, es koste wenig Anstrengung, einen so großen<br />

Schmerz verborgen zu halten; denn für jeden, der in Bedrängnis gerät, ist es<br />

eine große Erleichterung, wenn er das, was ihn quält, <strong>einem</strong> treuen Menschen<br />

durch Tränen und Seufzer zu erkennen geben kann. Für den Augenblick<br />

ziehe ich es jedenfalls vor, schon jetzt das zu tun, was in Zukunft vielleicht<br />

auch du für das Beste halten wirst.«<br />

Sie konnte nicht weiterreden, weil die Ärzte hereinkamen, samt der Kaiserin.<br />

Tirant verabschiedete sich und begab sich zu seiner Unterkunft, unaufhörlich<br />

<strong>nach</strong>sinnend über das, was die Prinzessin zu ihm gesagt hatte; dabei<br />

verstrickte er sich immer mehr in ausweglose Grübelei. Sinnierend verharrte<br />

er auf dem Fleck, ohne etwas zu essen, denn er wollte den Raum nicht<br />

verlassen. Schließlich ging der Konnetabel zum Palast hinüber und sprach<br />

lange mit Stephania und Wonnemeineslebens. Er berichtete den beiden, wie<br />

verbiestert der Bretone sich in die Frage verbohrte, was die Worte zu<br />

bedeuten hätten, die er von der Prinzessin zu hören bekommen hatte.<br />

»Mit was für <strong>einem</strong> Mittel können wir ihr helfen?« sagte Stephania. »Wie läßt<br />

ihr entsetzliches Leid sich lindern, wenn alles, was ich bei Tage gutmache,<br />

<strong>nach</strong>ts von der Witwe wieder verdorben wird? Karmesina will nichts mehr<br />

hören von Tirant, ganz im Gegensatz zu früher, wo sie, sei’s bei Tag, sei’s bei<br />

Nacht, über nichts anderes mit mir reden wollte als über ihn, ihre Liebschaft<br />

und wie die zu deichseln wäre. Jetzt hüllt sie sich in den Mantel der<br />

Ehrbarkeit; und wenn eine wie sie ein verängstigtes Herz hat, verprellt ist und<br />

begriffsstutzig in Liebesdingen, dann findet sie sich darin kaum <strong>zur</strong>echt und<br />

kommt schwerlich zu Streich. Die Witwe aber, die Erfahrung hat und sich<br />

bestens auskennt in den Nücken und Tücken der Liebe, macht mit <strong>einem</strong><br />

meisterhaften Dreh die ganze Affäre zu ihrem eigenen Spiel. Und alle<br />

Liebenden sind blind, kennen weder Vorsicht noch Umsicht. Wenn die<br />

Witwe nicht wäre, hätte ich ihn nicht erst einmal, nein, schon hundertmal in<br />

Karmesinas Schlafkammer geschleust, mit oder ohne Einverständnis der<br />

Prinzessin, wie ich es damals tat, in jener Nacht auf der Burg des Grimmigen<br />

Nachbarn. Doch weil ich noch immer ein freier Mensch bin, werde ich im<br />

Flüsterton mit<br />

130<br />

ihr über Tirant sprechen, unterm Schirm und Schatten liebevoller<br />

Freundschaft.«<br />

Nach diesem Gespräch suchten sie das Gemach auf, in dem sich die<br />

Prinzessin befand, die gerade des langen und breiten mit der Munteren Witwe<br />

diskutierte, so daß Stephania nicht zum Zuge kam und erkennen mußte, daß<br />

dies nicht die rechte Zeit war, um mit ihrer Freundin zu reden.<br />

Der Kaiser, der inzwischen erfahren hatte, daß der Konnetabel erschienen sei,<br />

dachte, Tirant müsse wohl auch dasein. Er ließ beide rufen, und als sie sich <strong>zur</strong><br />

Beratung einfanden, sagte der Kaiser: »Laßt uns hinübergehen ins Gemach<br />

Karmesinas. Wir wollen <strong>nach</strong>sehen, wie es ihr geht; denn sie hat sich heut den<br />

ganzen Tag über nicht wohl gefühlt.«<br />

Der Konnetabel betrat als erster die Kemenate, dann kamen der Kaiser und<br />

Tirant, denen all jene Ratsmitglieder folgten, die mitkommen wollten. Und die<br />

Herren entdeckten, daß die Prinzessin mit der Witwe Karten spielte,<br />

abgesondert, hinten in einer Ecke des Gemachs. Dort setzte sich der Kaiser<br />

neben seine Tochter und fragte sie <strong>nach</strong> ihrem Befinden. Flink gab sie<br />

Antwort:<br />

»Herr, jetzt, wo ich Eure Hoheit sehe, verfliegt auf einmal, was mich bedrückt<br />

...« Und die Augen Tirant zuwendend, begann sie zu lächeln.<br />

Der Kaiser freute sich sehr über die Worte Karmesinas und noch vielmehr<br />

über die Tatsache, daß er sie in so guter Verfassung vorfand. Und man<br />

plauderte über vielerlei Dinge, wobei die Prinzessin bereitwillig auf alles<br />

antwortete, was Tirant zu ihr sagte; denn die Witwe hatte ihr geraten, den<br />

Bretonen zuvorkommend zu behandeln, nicht in dem Maße wie früher, aber<br />

doch freundlich familiär, wie sie mit den anderen umging.<br />

Die Absicht der Witwe war ja nicht, daß Tirant <strong>zur</strong>ückreise in seine Heimat,<br />

sondern daß ihm die Hoffnung auf Karmesin schwinde, er aufhöre, die<br />

Prinzessin zu lieben, und sein Begehren künftig ihr selbst gelte. Deshalb hatte<br />

sie mit bewußter Bosheit der Prinzessin jene Verleumdungen und falschen<br />

Ratschläge eingeflüstert; deshalb wurde sie <strong>zur</strong> Urheberin so vielen Kummers.<br />

Als es schon fast Nacht war, zog sich der Kaiser samt den übrigen

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