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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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KAPITEL CXIV<br />

Wie Richard in Gegenwart des Königs von Frankreich<br />

erklärte, er werde mit Tirant<br />

einen Zweikampf auf Leben und Tod ausfechten;<br />

und wie der König <strong>nach</strong> dem Überfall auf das syrische Tripoli<br />

die Küste der Türkei plünderte<br />

II jene Leute, die nicht wirklich Bescheid wissen über das<br />

wahre Wesen weltlicher Ehre, verraten ihre Unbedarftheit durch<br />

den eigenen Mund, indem sie mit ihrem Geplapper der plumpen<br />

Parole folgen: ›Was mein Gevatter meint, ist auch meine Meinung.‹<br />

Keine Ahnung haben sie von der edlen Geistesart und dem<br />

redlichen Handeln unserer Vorfahren, von den tätig geübten Mannestugenden,<br />

wie sie sich <strong>einem</strong> offenbaren, wenn man die Geschichten von jenem<br />

berühmten König Artus liest, dem einstigen Herrn beider Britannien, des<br />

großen wie des kleinen, der ja der Gründer, Sinnstifter und Vollender der<br />

sagenhaft prächti- gen, reich gesegneten Tafelrunde war, zu der so viele noble<br />

und tapfere Ritter zählten, die wußten, was Ehre und Anstand heißt, des<br />

höchsten Ruhmes würdig waren und jeglichen Trug, jede Falschheit, jede<br />

Bosheit verabscheuten. Würde man auf wahrhaft ritterliche Weise den<br />

heutigen Fall beurteilen – wem spräche man da die Ehre und die irdische<br />

Glorie zu? Wem sonst als mir? Denn Tirant, der sich im Getümmel offener<br />

Feldschlachten eher durch Feigheit als durch tollkühnes Draufgängertum<br />

hervortut, kann, obwohl das Glück ihm gewogen ist und er durch Fortuna<br />

schon in vielen Fällen entscheidende Hilfe erhalten hat, gewiß nicht bestreiten,<br />

daß <strong>nach</strong> dem heutigen Geschehen keiner außer mir dafür in Frage kommt,<br />

mit all den ritterlichen Ehrungen bedacht zu werden, die jeweils dem<br />

gebühren, der sich als der Wackerste von allen erwiesen hat. Ich, der ich hier<br />

barfuß stehe, bin jedenfalls fest entschlossen, keinen Schuh mehr anzuziehen,<br />

bevor nicht Seine Majestät der Herr König und die adligen Ritter, die hier<br />

zugegen sind, durch ihr Urteil diesen Fall entschieden haben. Jedermann hat es<br />

ja mit Augen gesehen, daß Tirant und ich, <strong>nach</strong>dem sich unsere gesamte<br />

Streitmacht schon auf die Schiffe <strong>zur</strong>ückgezogen hatte, allein am Ufer<br />

<strong>zur</strong>ückblieben. Zwi-<br />

schen ihm und mir gab es einen langen Disput, wer von uns sich als erster in<br />

Sicherheit bringen sollte. Er hatte ein Gelübde abgelegt, ich nicht; doch ich<br />

war entschlossen, mich den größten Gefahren auszusetzen, die es im Kriege<br />

geben kann; ich wollte ausharren, angesichts der Unmenge von Sarazenen, die<br />

heranrückte. Und als er sah, daß ich mich nicht in Sicherheit bringen wollte,<br />

setzte er bereitwillig als erster den Fuß auf die Leiter, ehe ich es tat. Habt also<br />

die Güte, Herr, den hohen Ehrenrat einzuberufen und in kühler Sachlichkeit<br />

darüber zu befinden, wem Eure Majestät den Anspruch auf besondere Rühmung<br />

zuerkennt; denn ich bin’s, dem von Rechts wegen solche Anerkennung<br />

gebührt. Falls Eure Hoheit aber nicht willens ist, ein solches Urteil zu fällen,<br />

sage ich laut vor allen Leuten, daß ich ein besserer Ritter bin als Tirant und ihn<br />

in die Schranken fordere, zu <strong>einem</strong> Kampf Mann gegen Mann, <strong>einem</strong> Kampf<br />

auf Leben und Tod.«<br />

Der König antwortete ihm:<br />

»Richard, kein anständiger Richter erlaubt es sich, ein Urteil zu fällen, ohne<br />

zuvor beide Seiten angehört zu haben; daher ist es unmöglich, diesen Fall in<br />

Abwesenheit Tirants zu entscheiden.«<br />

Diese Äußerungen kamen Tirant zu Ohren, und er fuhr mit seiner Galeere<br />

dicht an das Schiff des Königs heran. Als er dort an Bord gestiegen war, hatte<br />

sich der König in seine Kajüte <strong>zur</strong>ückgezogen und schlafen gelegt. Richard<br />

jedoch, der hörte, Tirant sei gekommen, trat auf ihn zu und sagte:<br />

»Tirant, mag sein, was will – ich kann’s mit mir selber ausfechten, drinnen in<br />

m<strong>einem</strong> Herzen. Wenn Ihr es aber wagt, öffentlich zu behaupten, ich sei kein<br />

besserer Ritter als Ihr, so fordere ich Euch heraus, zu <strong>einem</strong> Zweikampf auf<br />

Leben und Tod.«<br />

Mit diesen Worten warf er ihm die Handschuhe vor die Füße. Tirant, der<br />

merkte, daß der andere aus so nichtigem Anlaß sich mit ihm schlagen wollte,<br />

hob die Hand und gab ihm eine schallende Ohrfeige. Der Krawall, der sich<br />

daraufhin erhob, war so gewaltig, daß zwangsläufig schließlich der König<br />

heraufkam, ein Schwert in der Hand. Als Tirant den König erblickte, sprang er<br />

hinauf auf das Vorderkastell, und dort, auf dem hohen Vorschiff, konnte er<br />

sich mühelos seiner Haut wehren. Dem König rief er zu:<br />

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