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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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schwenglich seine Hochachtung. Der König aber, getrieben von der innigen<br />

Liebe, die er für Tirant empfand, sprach sogleich den Emir dessenthalben an<br />

und bat ihn, den gefangenen Christen freizulassen. Und der Emir war dazu<br />

gern bereit, nicht nur weil er damit dem Wunsch des Königs entsprach,<br />

sondern auch weil er selbst mit Tirant, dem er soviel Erleichterung verdankte,<br />

hochzufrieden war. Und der Emir entband ihn von dem Gelöbnis, das Tirant<br />

ihm geleistet hatte, von dem Versprechen, ihn nicht zu verlassen noch sich<br />

aus jenem Land zu entfernen, solange er nicht aus dem Munde seines Herrn<br />

dreimal die ausdrückliche Aufforderung vernommen habe: »Zieh von<br />

dannen!« Ebendies geschah nun, und zusätzlich, ebenfalls dreimal, sprach der<br />

Emir, der Tirant am Schopf gepackt hatte: »Nun bist du in Freiheit gesetzt,<br />

aller Fesseln entledigt.« Worauf Tirant dem König die Füße und die Hände<br />

küßte, zum Dank für dessen freundliche Fürsprache. Und er sagte:<br />

»Herr, ich schwöre dir, bei allem, was mir als Christ heilig ist, daß ich Eure<br />

Hoheit nicht verlassen werde, bevor ich den König Escariano getötet oder<br />

gefangengenommen oder gänzlich aus Eurem Herrschaftsgebiet verjagt<br />

habe.«<br />

Der König und alle anderen, die zugegen waren, freuten sich sehr über diese<br />

Worte.<br />

Als jener Escariano kurz da<strong>nach</strong> erfuhr, daß der König von Tlemsen ihm<br />

über Nacht entkommen sei, so gewitzt, daß niemand etwas davon merkte,<br />

wunderte er sich sehr, wie das möglich gewesen war. Es vergrämte ihn sehr,<br />

und er geriet darüber in entsetzlichen Zorn. Da er jedoch sah, daß er seines<br />

Gegners nicht habhaft werden konnte, machte er sich daran, dessen gesamtes<br />

Reich zu erobern. Und mit der großen Streitmacht, die er hatte, konnte er<br />

dies auch ungehemmt tun. Nichts hinderte ihn daran, sich aller Städte,<br />

Marktflecken und Burgen des Landes zu bemächtigen. Und falls man sich<br />

irgendwo ihm nicht ergeben wollte, brach er den Widerstand mit Gewalt und<br />

ließ alle, die nicht kapitulierten, köpfen, ohne sich je der Besiegten zu<br />

erbarmen. Gnadenlos führte er seinen grausamen Krieg.<br />

Als dies dem König von Tlemsen zu Ohren kam, hielt er eine<br />

Ratsversammlung <strong>nach</strong> der anderen ab, um zu ermitteln, was man in dieser<br />

Lage zu tun hätte. Tagtäglich arbeitete man am Ausbau der<br />

Befestigungsanlagen seiner Hauptstadt, die eigentlich ja schon bestens<br />

befestigt war, und legte Vorratslager an, deren Proviant für fünf Jahre<br />

ausreichen würde. Und dennoch fühlten sich alle, als wären sie bereits<br />

verloren; denn sie hatten nicht genug Kriegsvolk, um dem Angreifer<br />

wirksam Widerstand zu leisten. Eines Tages nun, während man wieder Rat<br />

hielt, sagte Tirant zum König:<br />

»Herr, erweist mir eine Gunst. Laßt mich als Gesandten zu dem König<br />

Escariano gehen. Ich will sehen, in welcher Verfassung seine Leute sind und<br />

ob es nicht diese oder jene Möglichkeit gibt, sie vernichtend zu schlagen.«<br />

Alle lobten seinen Vorschlag, aber die meisten Ratsmitglieder hatten einen<br />

gewissen Zweifel, ob er nicht zu den Feinden überlaufen würde, wie dies<br />

viele andere taten, weil man es ja gern mit dem Sieger hält. Tirant machte<br />

sich marschbereit, und mit vielen Mannen, die ihn begleiten sollten, ritt er<br />

geradewegs dorthin, wo sich König Escariano aufhielt. Und als er vor dem<br />

Gewaltigen stand, nahm er allen Mut zusammen und erklärte ihm mit<br />

großer Entschiedenheit, was die Botschaft sei, die er zu überbringen habe.<br />

KAPITEL CCCVIII<br />

Die Botschaft, welche Tirant dem<br />

König Escariano vortrug<br />

undere dich nicht, wenn wir dich nicht gegrüßt haben, bevor von<br />

irgend sonst etwas die Rede sein soll; denn wir betrachten dich als<br />

unseren Erzfeind. Und kein Mensch hat irgendwelche<br />

Verpflichtung, s<strong>einem</strong> schlimmsten Widersacher Heil und<br />

Wohlergehen zu wünschen. Der König von Tlemsen schickt mich<br />

hierher, weil er schon oft viel Gutes von dir gehört hat und davon überzeugt<br />

ist, daß du einer der klügsten Könige auf der Welt seist. Und darum fragt er<br />

sich höchst verwundert, aus was für <strong>einem</strong> Grund du dich dazu hinreißen<br />

ließest, die Waffen zu ergreifen und mit Ingrimm gegen ihn zu Felde zu<br />

ziehen; da du ein<br />

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