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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Ehrenrettung: Kein Ritter soll für mich in die Schranken treten, und keine<br />

Frau soll es wagen, für mich die Stimme zu erheben. Eher möge man mir die<br />

Hand mit <strong>einem</strong> Nagel durchbohren, <strong>nach</strong> den Regeln des feierlichen<br />

Schaugerichts, das <strong>nach</strong> alter Sitte sowohl für Ritter wie für Frauen ehrbaren<br />

Standes vorgesehen ist.<br />

Und um diesen Worten größere Glaubwürdigkeit zu verleihen, setze ich<br />

m<strong>einem</strong> Namen hierher, geschrieben mit Blut aus m<strong>einem</strong> eigenen Leib. –<br />

Stephania von Makedonien«<br />

KAPITEL CXLVIII<br />

Wie Diafebus vom Kaiser und von den Damen<br />

Abschied nahm, um ins Feldlager <strong>zur</strong>ückzukehren<br />

tephania war nicht die Tochter des derzeitigen Herzogs. Ihr<br />

Vater war ein hochangesehener Fürst und überaus tapferer<br />

Ritter mit großem Besitz gewesen; er war ein Vetter des Kaisers,<br />

und diese Tochter war sein einziges Kind; bei s<strong>einem</strong> Tode<br />

hinterließ er ihr das Herzogtum, das ihr – wie er in s<strong>einem</strong><br />

Testament bestimmte – übereignet werden sollte, sobald sie dreizehn Jahre<br />

alt wäre. Ihre Mutter, eine tatkräftige Frau, verwaltete stellvertretend,<br />

gemeinsam mit dem Kaiser, dieses Erbe. Um weitere Kinder zu bekommen,<br />

hatte die Verwitwete den Grafen von Albi geheiratet, der sich dank dieser<br />

Verbindung den Titel eines Herzogs von Makedonien zulegte. Das besagte<br />

Mädchen hatte zum Zeitpunkt ihrer Begegnung mit Diafebus das vierzehnte<br />

Lebensjahr vollendet.<br />

Als es nun Nacht geworden war und man alle Vorkehrungen für die Abreise<br />

getroffen hatte, ließ Diafebus, unsagbar froh gestimmt, das Geld abholen –<br />

genau zu der Stunde, die ihm von der Prinzessin angegeben worden war.<br />

Und sobald er diesen Barvorrat in s<strong>einem</strong> Quartier hatte, ging er, indes seine<br />

Mannen sich wappneten, noch einmal zum Palast, um sich vom Kaiser und<br />

allen Damen des Hofes zu verabschieden, besonders von Stephania, die er<br />

bat, ihn in der Zeit seiner Abwesenheit nicht zu vergessen.<br />

580<br />

»Ach, Diafebus, mein Herr und Gebieter«, sagte Stephania, »alles Gute dieser<br />

Welt beruht auf dem gläubigen Vertrauen. Gedenkt Ihr denn nicht der<br />

Worte, die im Evangelium geschrieben stehen: ›Selig sind, die nicht sehen<br />

und doch glauben.’ Ihr seht mich und glaubt dennoch nicht. Baut getrost auf<br />

mich: Niemandem auf der Welt bin ich so zugetan wie Euch.«<br />

Vor den Augen der Prinzessin und in Gegenwart von Wonnemeineslebens<br />

küßte sie den Ritter zum Abschied, küßte ihn wieder und wieder. Viele<br />

Tränen des Trennungsschmerzes flossen da zusammen, wie dies der Brauch<br />

ist bei denen, die einander mögen. Diafebus kniete nieder auf den harten<br />

Boden und küßte die Hände der Prinzessin, sowohl im Namen des tapferen<br />

Tirant wie aus eigenem Antrieb. Als er bereits an der Treppe war, lief<br />

Stephania ihm <strong>nach</strong> und rief:<br />

»Damit du mich nicht vergißt!«<br />

Sie nahm eine schwere Goldkette von ihrem Hals und reichte sie ihm.<br />

»Herrin«, sagte Diafebus, »hiermit habe ich ein Unterpfand Eurer Liebe. Und<br />

wenn der Tag tausend Stunden hätte, würde ich jede einzelne Stunde dem<br />

Andenken Eurer Güte widmen.«<br />

Noch einmal küßte er sie, dann machte er sich auf den Weg zu seiner<br />

Herberge. Dort ließ er in aller Eile die Saumtiere beladen, und um zwei Uhr<br />

in der Nacht stiegen alle zu Pferde. Gemeinsam mit dem Konnetabel ritt<br />

Diafebus davon. Der Proviant, den sie beim Kaiser erbeten hatten, sollte per<br />

Schiff <strong>zur</strong> Truppe transportiert werden.<br />

Als sie zu Tirant gelangten, freute der sich nicht wenig über ihre Ankunft.<br />

Der Konnetabel und Diafebus übergaben dem Generalkapitan den Erlös des<br />

Gefangenenverkaufs. Und Tirant ließ die Grafen herbeirufen, die schon das<br />

vorige Mal all die gewonnenen Münzen, Waffen, Rüstungen und Pferde<br />

verteilt hatten. Sobald diese Angelegenheit geregelt war, berichtete Diafebus<br />

s<strong>einem</strong> Vetter alles, was sich inzwischen zugetragen hatte, und ließ ihn dabei<br />

auch wissen, was für geheime Zuwendungen er ihm mitgebracht habe.<br />

Nichts erlabte aber Tirant so sehr wie der Anblick der von Stephania eigenhändig<br />

ausgestellten Schenkungsurkunde samt dem daruntergesetzten, mit<br />

dem Blut des Mädchens geschriebenen Namenszug.

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