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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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läßt, der sie von Herzen anruft. Ich trat ins Kloster der Minoriten ein, der<br />

frommen Minderschwestern. Ständig widmete ich mich dort der Andacht und<br />

flehte die Muttergottes, unsere Schutzherrin, inniglich an, mir den Trostengel<br />

zu schicken, der meine Seele und meinen Körper wieder aufrichten könnte.<br />

Und ich bat sie, sich des armen Kaisers zu erbarmen, damit er nicht in seinen<br />

letzten Tagen noch erleben müsse, daß man ihn gefangennehme und ihm das<br />

Reich vollends entreiße. Aus Mitleid mit unserem qualvollen Leben hat ja<br />

diese gütige Himmelsherrin die ganze Fülle der Gnaden uns zukommen<br />

lassen: in Gestalt ihres unendlich erhabenen Sohnes, der ein Gnadengeschenk<br />

von solchem Reichtum ist, wie es keine Menschenzunge je zu erbitten wüßte.<br />

Auch ist es ein großer Trost für mich, daß es dem Himmel beliebt hat, Eurem<br />

Glück, meine liebe Schwester, zu solchem Gedeihen zu verhelfen. Das ist es,<br />

was meine Freude jetzt noch erhöht; und ich schulde der hohen Tugend des<br />

tapferen Tirant viel Dank dafür, daß er in meiner Abwesenheit es nicht<br />

vergessen hat, sich um die Menschen zu kümmern, die mir gedient haben.<br />

Aber ich bitte Euch, meine Schwester und Herrin, habt die Güte, gebt mir<br />

einen Hinweis. Was war denn der unselige Anlaß? Womit habe ich den guten<br />

Tirant derart gekränkt, daß er so herzlos schroff sich losriß von der, die ihn<br />

mehr liebte als ihr eigenes Leben? Denn Ihr wißt ja, daß ich niemals darauf<br />

aus war, irgendetwas zu tun, was ihm zuwider gewesen wäre. Und schon gar<br />

nicht kam es mir je in den Sinn, ihm gegenüber ein krummes Wort zu sagen.<br />

Nur liebevolle, nur tröstliche Worte sagte ich zu ihm, dem Manne, der mein<br />

Herz gefangengenommen hatte. Und ich liebte ihn über alle Maßen, als den<br />

Menschen, der würdig war, ihm mein zartes Wesen anzuvertrauen. Denn ich<br />

war fest davon überzeugt, daß seine Liebe zu mir nicht geringer sei und daß<br />

nichts ihn je dazu bringen könnte, absichtlich meine Gefühle zu verletzen.<br />

Ich glaube, er hat es nicht ernst gemeint, hat mir etwas vorgespielt. Denn bei<br />

<strong>einem</strong> so großmütigen und tugendstarken Ritter, der alle anderen übertrifft an<br />

Güte und Edelmut, ist ja nicht zu vermuten, daß in ihm etwas aufkommen<br />

könnte, das ihn dazu treiben würde, sich so undankbar zu verhalten.<br />

Aber die Hoffnung, die ich in Euch, meine Schwester und Herrin,<br />

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verspürt habe, tröstet mich; denn sie erinnert mich daran, daß Ihr diejenige<br />

gewesen seid, die früher mein Leben gestärkt und bereichert hat. Und jetzt<br />

vertraue ich mehr denn je auf die Tugenden Eurer Tüchtigkeit, die ich ja<br />

schon oft erfahren habe, in der Hoffnung, daß Ihr meinen selbstquälerischen<br />

Grübeleien ein Ende macht, die bisherigen Ängste aus m<strong>einem</strong> Herzen<br />

verscheucht und mir <strong>zur</strong> Gewißheit klar erkannter, wahrer Liebe verhelft.<br />

Und denkt nicht, ich stünde noch auf dem Standpunkt, der einst meine<br />

halsstarrige Haltung bestimmte, seinerzeit, als Ihr fortgingt; denn Liebe hat<br />

mich so überwältigt, daß ich nicht mehr bei mir bin; und ich habe das Gefühl:<br />

Wenn ich meinen Tirant nicht bald zu Gesicht bekomme, ist mein Leben<br />

rasch vorbei.«<br />

Die erlauchte junge Dame sprach nicht weiter. Sie verlor die Fassung, brach<br />

in Tränen aus, stöhnte und ächzte. Die liebenswürdige Königin aber sprach<br />

ihr aufmunternd zu, mit der ihr eigenen, reizvoll gewitzten Anmut. Und als<br />

Karmesina sich wieder gefaßt hatte, setzte Wonnemeineslebens zu einer<br />

Erwiderung an, die mit den folgenden Worten begann.<br />

KAPITEL CDXXXII<br />

Was die Königin auf die schmerzlichen Worte der Prinzessin erwiderte<br />

s wäre eine langwierige, unerquickliche Mühsal, mit der ich die<br />

Ohren Eurer Majestät nur verdrießen würde, wenn ich jetzt<br />

rekapitulieren wollte, was sich damals abgespielt hat; schon beim<br />

bloßen Gedanken an diese Geschichte gerate ich außer mir.<br />

Deshalb bitte ich Eure Durchlaucht, erspart es Euch und mir,<br />

heute abend davon zu reden; denn ich befürchte, wir würden damit bei<br />

sämtlichen Bewohnern Eures kaiserlichen Palastes Brechreiz erregen; und<br />

Seiner Majestät dem Herrn Kaiser, Eurem Vater, würden wir eine üble Nacht<br />

bereiten, dunkle Stunden voller Beschwer. Morgen jedoch, zu der Stunde, die<br />

Eurer Hoheit beliebt,

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