22.12.2012 Aufrufe

Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

›Laßt sie an das ersehnte Ende ihrer erbarmungslosen Tage gelangen.‹<br />

Ich bin fest überzeugt, daß ihnen beiden zu diesem Zeitpunkt der Frieden<br />

lieber gewesen wäre als der Streit. Aber als die tapferen, todesmutigen Ritter,<br />

die sie waren, kämpften sie unentwegt weiter, ohne jedes Erbarmen.<br />

Schließlich, als Tirant merkte, daß ihm der Tod immer näher rückte, je mehr<br />

er an Blut verlor, machte er sich so dicht an seinen Gegner heran, wie er<br />

irgend konnte, und stieß mit der Spitze seiner Waffe zu, auf die linke<br />

Brustwarze, direkt ins Herz. Der andere aber gab ihm einen heftigen<br />

Klingenhieb aufs Haupt, so daß es ihm schwarz vor den Augen wurde und er<br />

noch vor dem anderen zu Boden sank. Hätte der Franzose in diesem<br />

Moment, als Tirant zusammenbrach, sich noch auf den Beinen halten<br />

können, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, ihn zu töten. Aber er war schon<br />

so entkräftet, daß er sogleich tot zu Boden fiel.<br />

Als der Schiedsrichter die beiden Ritter so friedlich daliegen sah, stieg er von<br />

s<strong>einem</strong> Podest herab, näherte sich ihnen und sagte: ›Bei Gott, ihr habt euch<br />

wacker geschlagen, als gute Ritter, die aller Ehre wert sind. Und es gibt<br />

niemanden, der euch dies bestreiten könnte.‹<br />

Zweimal machte er über jedem das Segenszeichen; dann nahm er zwei<br />

Stöcke, bildete daraus ein Kreuz, legte es über ihre Leiber und sagte:<br />

›Ich sehe, daß Tirant die Augen noch ein wenig offen hat. Falls er nicht<br />

schon tot ist, hat er sein Leben bald ausgehaucht. Euch, Jerusalem, muß ich<br />

jetzt bitten, hier zu verweilen und diese reglosen Leiber zu bewachen. Ich<br />

werde zum Hof gehen, um dem König und den Turnierrichtern zu melden,<br />

was vorgefallen ist. So verlangt es die Rechtsordnung.‹<br />

Er traf den König, als dieser eben die Kirche verließ; und in Gegenwart all<br />

derer, welche die Messe besucht hatten, sagte er zu ihm: ›Herr, es läßt sich<br />

nicht verleugnen, daß zwei unerschrockene Ritter von Rang und Ruf, die<br />

heute in der Früh noch als Gäste am Hof<br />

Eurer Hoheit weilten, sich jetzt in <strong>einem</strong> Zustand befinden, der keine<br />

Hoffnung auf Rettung ihres Lebens zuläßt.‹<br />

›Welche Ritter sind es? fragte der König.<br />

202<br />

›Herr, sagte Claros von Clarence, ›der eine ist der Herr von Vilesermes, der<br />

andere Tirant lo Blanc.‹<br />

›Es bekümmert mich sehr, eine solche Nachricht hören zu müssen‹, sagte der<br />

König. ›Es wäre wohl gut, wenn wir noch vor dem Frühstück an den<br />

Unheilsort gingen, um zu sehen, ob wir ihnen irgendwie helfen können.‹<br />

›Meiner Treu‹., sagte Claros, ›der eine hat dieses Leben hinter sich; und ich<br />

glaube, daß der andere ihm bald Gesellschaft leisten wird. So übel sind beide<br />

zugerichtet.‹<br />

Als die Verwandten und Freunde beider Ritter dies vernahmen, ergriffen sie<br />

ihre Waffen und hasteten, teils zu Fuß, teils zu Pferd, dem Wald entgegen;<br />

und Gott erwies uns die Gnade, daß wir vor den anderen an die Stätte des<br />

grausigen Geschehens kamen. Und wir sahen Tirant in s<strong>einem</strong> Blute liegen.<br />

Er war kaum wiederzuerkennen; die Augen hatte er nur einen Spalt geöffnet.<br />

Als die anderen dann ihren Herrn als Leichnam erblickten, stürzten sie auf<br />

unseren Ritter zu, um ihm den Rest zu geben; doch wir verteidigten ihn <strong>nach</strong><br />

Kräften. Wir bildeten zwei Fronten, so daß der Bewußtlose <strong>nach</strong> beiden<br />

Seiten gedeckt wurde. Rücken gegen Rükken stehend, mußten wir die<br />

Wütenden abwehren; denn sie waren weitaus in der Überzahl. Aber aus<br />

welcher Richtung sie auch anstürmten – überall stießen sie auf standhafte<br />

Mannen, die ihnen die Stirn boten. Trotz alledem konnten wir nicht<br />

verhindern, daß einer der vielen Pfeile, die wie ein Hagel auf uns<br />

niederprasselten, den armen› am Boden liegenden Tirant traf.<br />

Wenig später erschien der Großkonnetabel, stählern gewappnet von Kopf<br />

bis Fuß, gefolgt von zahlreichen Leuten, und trennte die verfeindeten<br />

Haufen. Kurz da<strong>nach</strong> war auch der König <strong>zur</strong> Stelle, begleitet von den<br />

Turnierrichtern. Als sie die beiden Duellanten sahen, den einen tot› den<br />

anderen so leichenblaß, daß er im Sterben zu liegen schien, geboten sie, die<br />

Leiber nicht an<strong>zur</strong>ühren, ehe sie Rat gehalten hätten.<br />

Und während der Herrscher im Kreis seiner Ratsleute noch den Bericht<br />

anhörte, den ihm die Wappenkönige Claros von Clarence und Jerusalem<br />

gaben, kam die Königin hinzu, mit ihrem ganzen Gefolge von Frauen und<br />

Jungfrauen. Als sie gewahrten, wie übel

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!