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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Daß Ihr imstande wäret, gegen die eigene Wesensart zu verstoßen, könne sie<br />

von Euch nicht glauben, auch wenn sie Eure Freundlichkeit nicht verdient<br />

habe. Aber Ihr solltet bedenken, daß sie Fleisch von Eurem Fleische<br />

geworden sei, das Ihr nicht im Stich lassen dürft. Und wenn Ihr rasch beweist,<br />

daß Ihr Eure Hilfe nicht versagt, wolle sie mit allem, was ihr gehöre, Euch<br />

untertan sein, ihrem Herrn.«<br />

Diese und noch viele andere Sätze der Prinzessin übermittelte Melchisedek,<br />

Sätze, die das Buch verschweigt. Schließlich übergab der Gesandte den Brief,<br />

den die Prinzessin für Tirant bestimmt hatte. Dieser nahm ihn, öffnete ihn<br />

und las, was darin geschrieben stand.<br />

KAPITEL CCCXCVIII<br />

Der Brief, den die Prinzessin an Tirant lo Blanc schrieb<br />

nendliche Wonne und übersprudelnde Freude brachten mein<br />

trauriges Herz so aus der Fassung, daß ich, <strong>nach</strong>- dem ich mit<br />

Augen und Ohren Euren Brief aufgesogen hatte – dieses<br />

Lebenselixier, das mein Dasein vom Tode auferweckte –,<br />

gänzlich außerstande war, noch recht bei mir zu sein. Verwirrt<br />

von der jäh anflutenden, überwältigenden Tröstung, war ich wie von Sinnen,<br />

und aus meinen Augen stürzten die Tränen, in solchen Strömen, daß ich eher<br />

tief betrübt als hoch erfreut erscheinen mußte. Mein unruhiges Blut wollte der<br />

Ohnmacht des Herzens zu Hilfe ei- len, und so entwich die Kraft aus<br />

sämtlichen Gliedern meines Leibes; erschlafft versagten sie ihren Dienst, und<br />

die Umstehenden dachten schon, ich sei gestorben. Lange hat es gedauert, bis<br />

ich, dank vielerlei Hilfen, wieder zu Kräften gekommen bin, so daß ich <strong>zur</strong><br />

Feder greifen und Euch als erstes jenes Aufseufzen schildern kann, das da ein<br />

nur allzu deutliches Zeugnis meines Wiedererwachens zum Leben war.<br />

Her<strong>nach</strong> ließ ich mich, da es mir an Argumenten mangelte, mit denen ich<br />

diesen Zusammenbruch den Zuschauern hätte erklären können, ohne<br />

allzuviel preiszugeben, in eine Hinterkammer des Klosters brin-<br />

248<br />

gen, in dem ich seit geraumer Zeit, wenn auch in unzulänglichem Maße, Buße<br />

tue für die Fehler, die ich Euch gegenüber beging.<br />

Die größte Erholung, Entspannung und Lust, die ich seit dem Verlust Eurer<br />

Gegenwart erlebe, ist die nun gebotene Gelegenheit, mit meinen wirren<br />

Worten ein Gegengeschenk zu machen für Euer Gnaden, deren heimliche<br />

Sklavin ich war, bin und immer sein werde, erfüllt von dem Wunsch, mich<br />

Euch stets dankbar zu erweisen, so gut ich kann und weiß, eingedenk all der<br />

Mühsale, die Ihr für mich erlitten habt und deren glorreiche Überwindung<br />

nicht die Wirkung meiner unwürdigen Gebete gewesen ist, sondern Verdienst<br />

Eures eigenen Mutes. Nicht zu verfluchen, vielmehr zu loben ist Fortuna,<br />

wenn sie <strong>nach</strong> mancher Schicksalswende schließlich für ein gedeihliches Ende<br />

sorgt; und gut sind die Übel, die einen glücklichen Ausgang bewirken. Das<br />

geringste der Güter, die Ihr besitzt, ruhmreicher Tirant, ist mein Name, denn<br />

ich glaube, daß Ihr Euch seiner nur im Zusammenhang mit den vielerlei<br />

Strapazen erinnert, die Euer Brief erwähnt. Und wenn Liebe oder<br />

bedingungslose Hingabe je besiegt wird, so zwingt sie Euch doch als Sieger<br />

unter ihr Joch.<br />

Ich erlasse Euch die Schuld, die Ihr mit Euren falschen Meinungen über mich<br />

auf Euch geladen habt – unter einer Bedingung, nämlich der, daß Ihr die<br />

afrikanische Erde schleunigst <strong>zur</strong> Witwe macht, sie ein für allemal Eure<br />

Gegenwart entbehren laßt, auf daß diese trostlose Stadt hier und ihre allein<br />

gelassenen Bewohner samt mir um so mehr sich Eures ersehnten Anblicks<br />

erfreuen dürfen. Wobei ich Euch einiges ins Gedächtnis <strong>zur</strong>ückrufen möchte:<br />

etwa die Krone des Griechischen Reiches, die Eurer harrt; meine<br />

Jungfräulichkeit, auf die Ihr so erpicht wart und die jetzt der Gefahr<br />

ausgesetzt ist, von irgend<strong>einem</strong> Ungläubigen geraubt zu werden, womit ich,<br />

deine Verlobte, zwangsläufig <strong>zur</strong> Sklavin dieser Fremdlinge würde. Nicht<br />

minder der Erinnerung wert ist die vielfältige Ehre, welche Euch in diesem<br />

Reich zuteil geworden ist, sowohl vom Kaiser als auch von mir. Weshalb Ihr<br />

in den Ruf der Undankbarkeit geraten würdet, wenn Ihr nicht mit<br />

Entschlossenheit dem <strong>nach</strong>kommt, was die Christenheit inständig von Euch<br />

erhofft: daß Ihr sie verteidigt, sie mit Euren Waffen vor der drohenden<br />

Gefangenschaft bewahrt.<br />

Laßt Euch erschüttern, Tirant! Denn Ihr habt doch ein Herz voller

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