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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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als Kapitan durchaus zustand; denn wo ein Höherer auftaucht, muß der<br />

Niedrigere weichen. Als Tirant sah, daß das Essen s<strong>einem</strong> Ende zuging,<br />

wandte er sich an die Kaiserin mit der Bitte, Ihre Hoheit möge doch die<br />

Güte haben, ihm eine Frage zu beantworten, eine Streitfrage, die ihn sehr<br />

beschäftige und mit Zweifeln erfülle. Die Kaiserin sagte, falls sie imstande<br />

sei, etwas <strong>zur</strong> Klärung der Sache beizutragen, wolle sie dies gerne tun.<br />

»Sagt mir, Herrin«, sprach Tirant, »was ist besser für einen Ritter, was<br />

ehrenhafter: gut zu sterben oder übel zu sterben – wo er doch so oder so<br />

sterben muß?«<br />

Er verstummte und sagte kein weiteres Wort. Die Prinzessin unterbrach die<br />

Stille:<br />

»O heilige Maria, hilf! Was für eine groteske Frage stellt Ihr meiner Frau<br />

Mutter! Wo doch alle Welt weiß, daß es besser ist, mit Anstand zu sterben.<br />

Wenn er ohnehin unausweichlich sterben muß, sollen wenigsten <strong>nach</strong>her alle<br />

Zeugen seines Todes sagen: ›Dieser tapfere Ritter ist so gestorben, wie es<br />

sich für einen echten Ritter gehört.‹ Viel Ehre wird man dem erweisen, der<br />

mannhaft gestorben ist. Müßte man aber von <strong>einem</strong> sagen: ›0 dieser<br />

mißratene Ritter, wie erbärmlich ist er gestorben!‹ – so erntet er nichts als<br />

Schmach und Schande, und für alle Zeiten sind er und die Seinigen entehrt.<br />

Denkt doch an die Römer – wieviel Achtung und Ruhm erwarben sie in der<br />

ganzen Welt, weil sie ehrenhaft auf den Schlachtfeldern starben, als<br />

Verteidiger ihrer Republik. Sie hinterließen den Ruhm ihrer glorreichen<br />

Taten; und wenn die Leichen solcher Helden <strong>nach</strong> Rom heimgebracht<br />

wurden, so riß man zu ihrem Empfang ein großes Stück der Ringmauer ein<br />

und geleitete sie im Triumph bis in die Mitte der Stadt; solche aber, die als<br />

kleinmütige Krieger kläglich ums Leben gekommen waren, fanden keinerlei<br />

Beachtung und wurden mit k<strong>einem</strong> Wort erwähnt. Es ist also, meine ich,<br />

entschieden besser, mit Anstand zu sterben.«<br />

Kaum hatte die Prinzessin diesen letzten Satz gesagt, da schlug Tirant mit<br />

der Faust auf den Tisch und murmelte, zwischen den Zähnen knurrend, fast<br />

unhörbar: »So ist es!« Dann kehrte er ihnen wortlos den Rücken und ging<br />

<strong>zur</strong>ück zu seiner Herberge. Alle wunderten sich über dieses Betragen Tirants.<br />

444<br />

Wenig später betrat der Kaiser das Gemach, in das sich die Kaiserin und ihre<br />

Tochter <strong>zur</strong>ückgezogen hatten, und die beiden berichteten ihm die<br />

Äußerungen Tirants. Der Kaiser sagte daraufhin:<br />

»Ich mache mir große Sorgen um ihn und frage mich, ob dieser Ritter nicht<br />

innerlich zerfressen wird von irgendeiner geheimen Leidenschaft.<br />

Manchmal beschleicht mich auch der Zweifel, ob es ihn vielleicht reut, daß<br />

er hierher gekommen ist, in ein Land, das so fern von seiner Heimat ist,<br />

weit weg von all seinen Verwandten und Freunden. Möglicherweise treibt<br />

ihn eine uneingestandene Angst um, Furcht vor der Übermacht der Türken<br />

oder sonstigen Mißlichkeiten, die sich ergeben könnten. Aber redet mit<br />

k<strong>einem</strong> Menschen über diese Sache; laßt euch nichts anmerken und schickt<br />

nicht <strong>nach</strong> ihm; denn noch ehe es dunkel wird, werde ich Bescheid wissen.«<br />

Der Kaiser verabschiedete sich von den Damen und ging weg, um sich ein<br />

wenig aus<strong>zur</strong>uhen.<br />

Nach dem Mittagsschlaf setzte er sich an ein Fenster, von dem aus man auf<br />

den großen Platz hinabschaute, und dort unten sah er Richard auf <strong>einem</strong><br />

hohen Roß vorüberreiten. Rasch rief er ihn an und bat den Ritter, auf einen<br />

Sprung zu ihm heraufzukommen. Als Richard dann vor den Kaiser trat,<br />

verneigte er sich tief vor ihm, und der alte Herrscher sagte zu ihm:<br />

»Ritter, bei der Liebe, die Ihr für Eure Herzallerliebste hegt, bitte ich Euch,<br />

mir zu sagen, weshalb mein Kapitan so traurig ist, wie man mir berichtet<br />

hat.«<br />

»Herr«, antwortete Richard, »wer immer es gewesen sein mag, der dies<br />

Eurer Majestät hinterbracht hat – es stimmt nicht, was da behauptet wird.<br />

Tirant ist eher übermütig und läßt gerade die Fahnen und die Wappen<br />

herrichten.«<br />

»Diese Auskunft freut mich sehr«, sagte der Kaiser. »Geht jetzt und sagt<br />

ihm, er soll sich aufs Pferd schwingen und herkommen; ich warte hier auf<br />

ihn.«<br />

Richard begab sich zu Tirant und berichtete ihm alles, was der Kaiser gesagt<br />

hatte. Der hellhörige Bretone erkannte sofort, daß die Kaiserin oder ihre<br />

Tochter dem Herrscher etwas zugetragen hatte. Auf <strong>einem</strong> großen,<br />

makellos weißen Roß ritt er zum Palast, prächtig gewandet und begleitet<br />

von all seinen Gefährten, die gleichfalls in

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