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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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ist; denn ich will dir Vater, Bruder und Gemahl sein – und dein Sklave, über<br />

den du verfügen kannst, ganz <strong>nach</strong> d<strong>einem</strong> Belieben. Wenn ich dich aber<br />

weiterhin bei Tag und bei Nacht jammern höre – nun ja, du kannst dir<br />

vielleicht selbst überlegen, wie sehr du damit deine edle Erscheinung<br />

schädigst. Es muß dich ja selbst verdrießen, endlos soviel Tränen zu<br />

vergießen. Darum, meine Herrin, du mein Leben, sei so gut und mach Schluß<br />

mit jeglicher Art von Trauer. Ermuntere dich, faß neuen Mut, gönne d<strong>einem</strong><br />

Geist ein wenig Ruhe. Ich bin dir zu Diensten in allem, was dir Freude macht,<br />

will dir jeden Gefallen tun, den ich zu leisten vermag.«<br />

Er verstummte, sehnlichst erwartend, daß er von der vornehmen Dame eine<br />

gute Antwort zu hören bekäme. Und die bedrückte Königin zögerte nicht,<br />

ihm in aller Bescheidenheit klar zu erwidern.<br />

KAPITEL CCCXV<br />

Die bittere Erwiderung der Königin auf die Worte des Königs Escariano<br />

rausam und hart ist es für mich, Trostworte anzuhören, <strong>nach</strong>dem<br />

derart viele, derart schlimme Schicksalsschläge auf mein Leben<br />

niedergegangen sind, daß ich keine Hoffnung mehr habe, ich<br />

könnte je wieder fröhlich werden. Das einzige, was die Qualen<br />

meines Herzens lindern kann, ist das Losweinen, das Zerfließen in<br />

Tränen. Darum antworte ich dir mit äußerster Bitterkeit. Meine Kargheit ist<br />

redlicher, glaubwürdiger als deine Beredsamkeit. Wenn meine Klagen<br />

überhaupt zu etwas gut sind, dann wohl dazu, daß du dich ohne weiteres, allein<br />

durch das endlose Strömen der Tränenflut, die Tag und Nacht aus meinen<br />

Augen quillt, davon überzeugen kannst, daß ich allen Grund habe zu trauern.<br />

Ich weiß, daß ich deine Liebe und die Forderung von Erbarmen in einer<br />

Stunde zufriedenstellen könnte. Aber <strong>nach</strong>dem du mich derart verletzt hast,<br />

flehe ich dich an, mich nicht noch mehr zu verletzen, indem du mir das<br />

nehmen willst, was die größte Lust ist, die<br />

es für mich in dieser Lage noch geben kann, nämlich das Jammern, das<br />

Wehklagen wegen des schrecklichen, grausamen Todes jenes so tugendhaften<br />

Königs, der Tlemsen regierte, meines Vaters, dessen Ende mein Herz<br />

zermartert. Meine Pein wird erst leichter sein, wenn meinen Augen die Tränen<br />

ausgehen und sie statt ihrer Blutstropfen weinen.<br />

Und ich würde mich selbst für heilig erachten, wenn ich imstand wäre, dem<br />

Beispiel von Ariadne oder von Phädra, von Hysipyle oder Önone zu folgen,<br />

Frauen, die sich, um ihren Qualen ein Ende zu machen, selber töteten – und<br />

das wäre zugleich die schlimmste Kränkung, die ich dir antun könnte und<br />

womit ich den Tod meines Vaters rächen würde. Und obwohl mein Schmerz<br />

noch viel größer ist als der von all jenen anderen Frauen, geht es mir nicht<br />

darum, dies vor der Welt zu demonstrieren. Mir ist es genug, ja übergenug, daß<br />

es wahrlich so ist. Auf Erden läßt sich damit kein Eindruck mehr machen – zu<br />

viele vom Schicksal mißhandelte, von Schmerzen gebeutelte Frauen hat es da<br />

schon gegeben! Ach, ich Ärmste, zerfressen von sengendem Schmerz – und<br />

doch weiß ich nicht, mit welchem Stahl ich meiner Freude ein Ende machen<br />

könnte; denn wenn ich dächte, daß dadurch mein Vater wieder zum Leben<br />

erwachen müßte – ich hätte es längst getan. O arme Brüder, schon gepackt<br />

von den harten Fängen des Todes! In m<strong>einem</strong> Unglück habt ihr euch meinen<br />

Augen eingeprägt, ach, und euretwegen werde ich lieblos behandelt. An die<br />

durchlauchtigen und mutigen Könige und Fürsten, an alle demütigen und<br />

frommen Diener der Liebe richte ich meine Klagen, zornentbrannt, außer mir,<br />

unfähig, etwas Vernünftiges zu tun; denn allein bei mir läßt der Schmerz nicht<br />

<strong>nach</strong>, nein, er nimmt täglich zu; denn die finstere Nacht verbringe ich mit<br />

unablässigem Seufzen, weil die urmenschliche Todesangst mich nötigt, d<strong>einem</strong><br />

Willen mich zu beugen, ob ich will oder nicht. Als Frau habe ich ja nicht die<br />

Kraft, mich gegen dich zu wehren, schon gar nicht als eine, die du <strong>zur</strong> Unterworfenen<br />

gemacht, mit Gewalt unters Joch deiner Macht gezwungen hast,<br />

obwohl es sich, um der Menschlichkeit willen, für einen König geziemt, Mitleid<br />

zu haben mit den Elenden, und menschliches Erbarmen Gott wohlgefällig ist,<br />

Gott und der Welt.«<br />

Mit diesen Worten wandte die bekümmerte Königin sich ab und zog<br />

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