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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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kommenden Nacht mit <strong>einem</strong> großen Geleit von Fußsoldaten und<br />

Berittenen samt allen Gefangenen auf den Weg <strong>nach</strong> Konstantinopel<br />

machen.<br />

Kaum in die Nähe der Stadt gelangt, gewahrte Diafebus, daß die ganze<br />

Einwohnerschaft, sowohl Männer wie Frauen, ihm auf Wegen und Stegen<br />

entgegenströmte, um die Gefangenen zu sehen, die man mitbrachte. Und als<br />

sie auf den großen Platz kamen, standen der Kaiser und alle Damen des<br />

Hofes an den Fenstern des Palastes. Mit Stricken zusammengebunden, zogen<br />

die gefesselten Feinde, einer hinterm andern, in langer Schlange am Schloß<br />

vorüber, gefolgt von den erbeuteten Fahnen des Sultans und der anderen<br />

Heidenfürsten, Flaggen, die man zum Zeichen des Sieges als Schleppen<br />

durch den Straßenstaub schleifte. Der Kaiser und alle anderen erkannten, daß<br />

Tirant einen Sieg errungen hatte; stürmisch feierte man die Ritter, und die<br />

Freude über das Gelungene machte sich Luft in triumphalem, ausgelassenem<br />

Jubelgeschrei. Diafebus aber überantwortete dem Kaiser<br />

viertausenddreihundert Gefangene als Geschenk Tirants, dessen Großmut<br />

und ritterliche Noblesse sich durch diese Freizügigkeit den Griechen klar zu<br />

erkennen gab. Der Kaiser ließ die Sarazenen alsbald abführen und in sicheren<br />

Gewahrsam bringen.<br />

Anschließend begab sich Diafebus hinauf ins Schloß, um dem Kaiser, der<br />

Kaiserin und der erlauchten Prinzessin seine Ehrerbietung zu erweisen;<br />

her<strong>nach</strong> begrüßte er reihum die versammelten Damen. Der Kaiser ließ ihm<br />

auf der Stelle die Rüstung abnehmen und gebot, ihm ein mit Gold und<br />

Perlen besticktes Staatsgewand zum Anziehen zu geben, eine bis zum Boden<br />

reichende Robe, damit er sich nicht erkälte. Er hieß ihn Platz nehmen, vor<br />

s<strong>einem</strong> Herrscherstuhl, auf <strong>einem</strong> Schemel, wo ihn die Damen sogleich<br />

umringten, und forderte ihn auf, alles zu erzählen, was sie seit dem Tag ihres<br />

Auszugs bis zum heutigen Tag getan und erlebt hätten. Ihr könnt getrost<br />

glauben, daß Diafebus dabei nichts von dem vergaß, was zum Lobpreis und<br />

<strong>zur</strong> höheren Ehre Tirants gereichen mochte. Und es erübrigt sich wohl die<br />

Frage, welches Glücksgefühl der Kaiser empfand, als er die Schilderung solch<br />

einzigartiger Taten vernahm; so beglückt jedoch der Kaiser war, die<br />

Prinzessin war es noch viel mehr. Und Diafebus wurde an diesem Abend<br />

fürstlich bewirtet im Palast; mit<br />

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allem, was er brauchte, wurde er reichlich versehen, desgleichen all seine<br />

Diener. Und sie ließen sich nur von Jungfrauen bedienen, niemand sonst<br />

durfte sie an der Tafel verwöhnen.<br />

Nach dem Abendessen ergriff der Kaiser die Hand seiner Tochter<br />

Karmesina, und Diafebus nahm den Arm der Kaiserin; gemeinsam gingen sie<br />

in ein Gemach, das man für Diafebus hergerichtet hatte; alle Damen kamen<br />

hinterdrein, und alle bekundeten dem Ritter aufs schönste ihre Verehrung.<br />

Diafebus kniete nieder auf den harten Boden und dankte dem Kaiser sowie<br />

der gesamten Damenschar herzlich für die hohe Ehre, die sie ihm erwiesen.<br />

Und bis gegen Mitter<strong>nach</strong>t blieben sie beisammen und redeten vom Krieg,<br />

wobei der Kaiser sich erkundigte, welche Pläne der Generalkapitan hege.<br />

Und Diafebus sagte ihm, es sei gewiß unvermeidlich, daß man schon in<br />

wenigen Tagen eine große, grimmige Feldschlacht zu bestehen habe. Um<br />

dem Krieger die nötige Bettruhe zu gönnen, zog sich der Kaiser mitsamt den<br />

Damen <strong>zur</strong>ück und erlaubte es nicht, daß Diafebus das Gastgemach verließ.<br />

Am nächsten Morgen ließ der Kaiser die Anzahl der Gefangenen feststellen<br />

und errechnete den Betrag, der sich bei <strong>einem</strong> Preis von fünfzehn Dukaten<br />

pro Mann ergeben würde. Aus s<strong>einem</strong> Schatz holte er die entsprechende<br />

Menge von Münzen und händigte sie Diafebus aus, damit dieser sie dem<br />

Generalkapitan übergebe.<br />

Sobald die Prinzessin bemerkte, daß Diafebus frei von Verpflichtungen war,<br />

ließ sie ihm ausrichten, er möge doch in ihr Gemach kommen. Und Diafebus<br />

selbst hatte keinen sehnlicheren Wunsch, als mit ihr reden zu können, mit ihr<br />

und Stephania, in die er heftig verliebt war. Kaum erblickte ihn die<br />

Prinzessin, da fragte sie hastig:<br />

»Liebster, bester Bruder, was für Nachrichten bringt Ihr mir von jenem<br />

tapferen Ritter, der mein Herz gefangenhält? Wann kommt der Tag, an dem<br />

ich ihn wiedersehe und ihn an meiner Seite haben kann, ohne mich ängsten<br />

zu müssen? Wahrlich, Ihr dürft mir glauben, daß ich nichts auf der Welt so<br />

innig ersehne wie die Möglichkeit, ihn leibhaftig zu sehen. Ich bin mir freilich<br />

darüber im klaren, daß er gewiß sehr wenig an mich denkt. Aber seine<br />

Versäumnisse, das Versagen, das durch seine Wesensart bedingt ist, will ich<br />

wett-

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