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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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mit großer Ehrerbietung. Allen Ständen, die da versammelt waren, erwies er<br />

im Vorbeireiten seine Aufmerksamkeit und bedachte jede Gruppe eigens mit<br />

freundlichem Gruß. Als der Kaiser gewahrte, daß die Neuankömmlinge alle<br />

mit vermummten Gesichtern erschienen, schickte er jemanden hin, der<br />

erfragen sollte, wer der Ritter sei, der mit solchem Pomp auftrete. Und alle,<br />

die gefragt wurden, antworteten so, wie es ihnen befohlen worden war:<br />

»Er ist ein fahrender Ritter auf der Suche <strong>nach</strong> Abenteuern.« Mehr<br />

war nicht zu erfahren.<br />

Da sagte der Kaiser:<br />

»Daß er seinen Namen nicht nennen will, hängt wohl damit zusammen, daß<br />

er, wie er deutlich zu erkennen gibt, ein Gefangener ist, den eine Jungfrau an<br />

der Kette führt. Es sieht ganz so aus, als wäre er ein Gefangener der Liebe.<br />

Auf, geh noch einmal hin und frage die Jungfrau, welche Liebschaft ihn so<br />

unfrei gemacht hat. Und wenn sie dir keinen Namen nennen will – auf<br />

s<strong>einem</strong> Schild steht etwas geschrieben. Schau, ob du da den Namen findest.«<br />

Der Kammerherr des Kaisers beeilte sich und tat, was ihm aufgetragen<br />

worden war. Die Jungfrau gab ihm <strong>zur</strong> Antwort:<br />

»Am Ungemach und der Gefangenschaft dieses Ritters ist ein Mädchen<br />

schuld. Indem es sich s<strong>einem</strong> Willen ergab, hat es ihn so in Fesseln<br />

geschlagen, wie Ihr seht.«<br />

Mehr sagte sie nicht; und der Kammerherr überbrachte diese Auskunft dem<br />

Kaiser. Der meinte dazu:<br />

»So ergeht es Rittern recht oft; sie lieben, und ihre Liebe wird nicht erwidert.<br />

Jedermann sehnt sich zwar da<strong>nach</strong>, noch einmal jung zu sein; doch ich finde<br />

keine Ruhe mehr und kann mich fast nur noch an schreckliche Erlebnisse<br />

erinnern. Aber sag, hast du etwas entziffern können auf diesem Schild, der<br />

noch nicht zerhauen und schon gar nicht vor Angst zerbröckelt ist?«<br />

»Herr«, antwortete der Bedienstete, »ich habe es genau gelesen, einmal und<br />

noch einmal. Es ist eine spanische oder französische Inschrift. Sie besagt:<br />

Verflucht sei Amor, der mich kirre macht, wenn er<br />

nicht auch in ihr den Brand entfacht.«<br />

Unterdessen hatte sich der Konnetabel schon am Ende der Turnierbahn<br />

postiert, mit der Lanze auf dem Schenkel, und fragte nun, wer sein Gegner bei<br />

der Tjoste sein werde. Man sagte ihm: Der Herzog von Sinopoli.<br />

Der eine ging auf den anderen los, und die beiden boten sich herrliche<br />

Treffen. Beim fünften Ansturm traf der Großkonnetabel seinen Gegner so<br />

heftig, daß er ihn aus dem Sattel hob. Und der Gestürzte wurde zum Podest<br />

der weisen Sibylle gebracht. Man nahm ihm rasch den Panzer ab, und dann<br />

wurde er von den Frauen, deren Liebe den schnöden Undank treuloser<br />

Liebhaber erfahren hatte, gründlich ausgepeitscht.<br />

Als diese Zeremonie vorüber war, begab sich Diafebus erneut ins Turnier, <strong>zur</strong><br />

Tjoste mit dem Herzog von Pera. Und als sie zum zehnten Mal einander<br />

berannten, traf der Konnetabel seinen Widersacher mitten im Visier, so daß<br />

dieser die Besinnung verlor und samt s<strong>einem</strong> Pferd zu Boden stürzte.<br />

»Wer ist der Teufelskerl«, fragte Tirant, »dieser Unglücksmensch, der meine<br />

tüchtigsten Freunde derart zu Fall bringt?«<br />

Unverzüglich ließ er sich den Helm über den Kopf stülpen, bestieg ein Pferd,<br />

verlangte eine große Lanze und begab sich mit dieser ans Ende der<br />

Kampfbahn. Und in selbiger Zeitspanne, die er brauchte, um sich kampfbereit<br />

zu machen, wurde der Herzog, sobald er wieder zu Bewußtsein gekommen<br />

war, zum Podest der weisen Sibylle geschleppt, und er wurde derselben<br />

Behandlung unterworfen, die der andere Herzog bereits hatte erdulden<br />

müssen. Der Konnetabel aber erklärte, daß er keinen weiteren Zweikampf<br />

ausfechten wolle; denn er hatte erkannt, daß Tirant am anderen Ende zum<br />

Turnier angetreten war. Die Kampfrichter jedoch sagten, daß er zwölf Runden<br />

zu absolvieren habe, wie dies die Spielregeln vorschreiben. Die Damen und<br />

alle Zuschauer, die auf dem Marktplatz versammelt waren, lachten sehr<br />

darüber, daß jener unbekannte Ritter die beiden Herzöge einfach abserviert<br />

hatte.<br />

Der Kaiser sagte:<br />

»Na, wartet nur ab! Es wäre ein kleines Wunder, wenn der nicht auch unseren<br />

Kapitan in den Sand befördert.«<br />

»Das schafft er nicht«, erwiderte die Prinzessin, »denn die heilige<br />

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