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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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der hohe Herr ließ dies nicht zu; so küßte er ihm die Hand, und der Kaiser<br />

küßte ihn auf den Mund.<br />

Als alle Ankömmlinge dem Herrscher ihre Ehrerbietung erwiesen hatten,<br />

überreichte Tirant ihm einen Brief des Königs von Sizilien. Der Kaiser las<br />

dieses Schreiben in Gegenwart aller und sprach dann, zu Tirant gewandt, die<br />

folgenden Worte.<br />

KAPITEL CXVII<br />

Die Worte, mit denen Tirant<br />

bei seiner Ankunft in Konstantinopel<br />

vom griechischen Kaiser begrüßt wurde<br />

icht gering ist die Freude, die Eure glückliche Ankunft mir<br />

bereitet, tapferer Ritter. Und ich danke dem reichgesegneten<br />

König von Sizilien für die Treue, mit der er<br />

meines schweren Kummers gedacht hat. Denn die<br />

Hoffnung, die ich in Euch setze, läßt mich all die Übel vergessen, die wir in<br />

letzter Zeit zu erleiden hatten. Erkenne ich doch in Eurer schönen Gestalt<br />

die lebendige Bestätigung all dessen, was mir von vielen Leuten über Euch<br />

berichtet worden ist. Eure beherzte Güte, die Kraft Eurer tugendhaften<br />

Seelenstärke, kann sich nicht verleugnen. Sie springt <strong>einem</strong> in die Augen und<br />

erweist sich schon allein in der Tatsache, daß Ihr hierher gekommen seid auf<br />

Wunsch des wackeren Königs von Sizilien, was <strong>nach</strong> m<strong>einem</strong> Gefühl mich zu<br />

noch tieferer Dankbarkeit gegen Euch verpflichtet, als wenn es Gesandte<br />

oder Briefe von mir gewesen wären, die Euch zu dieser Reise bewogen<br />

hätten. Und damit alle erkennen, wie sehr ich Euch dankbar bin und wieviel<br />

Liebe ich Euch entgegenbringe, übertrage ich Euch hiermit den Oberbefehl<br />

über alle kaiserlichen Streitkräfte und zugleich das Amt des obersten Richters<br />

in m<strong>einem</strong> Reich.«<br />

Er wollte ihm den Stab übergeben, der aus massivem Gold bestand und am<br />

einen Ende mit den in Email dargestellten Wappen der Reichshoheit<br />

geschmückt war. Doch Tirant zögerte und nahm den<br />

402<br />

Marschallstab nicht entgegen; er kniete vielmehr auf den harten Boden nieder<br />

und gab in demütiger Haltung und mit freundlicher Miene dem Herrscher <strong>zur</strong><br />

Antwort:<br />

»Eure Majestät, Herr, möge es mir nicht verargen, wenn ich diesen Stab nicht<br />

annehmen möchte; denn, mit Verlaub, Hoheit, ich bin nicht mit einer solch<br />

starken Streitmacht hierher gekommen, daß ich imstande wäre, die riesige<br />

Sarazenenarmee zuschanden zu machen, die in Euer Reich eingedrungen ist.<br />

Wir sind nicht mehr als hundertvierzig Ritter und Edelleute, die sich als<br />

Freiwillige in brüderlicher Einmütigkeit zusammengeschlossen haben, ohne<br />

jegliche Absicht, uns irgend etwas anzueignen, das uns von Rechts wegen<br />

nicht zukommt. Eurer Majestät ist ja bekannt, daß ich aus vielerlei triftigen<br />

Gründen es keineswegs verdiene, mit <strong>einem</strong> solchen Würdezeichen beehrt<br />

und mit der Verantwortung eines Heerführers betraut zu werden. Dagegen<br />

spricht erstens, daß ich mich in der Kunst der Kriegsführung nicht auskenne;<br />

zweitens, daß ich zu wenig Leute habe; drittens, daß ich dem Herrn Herzog<br />

von Makedonien damit ein schlimmes Unrecht antäte, ihn seines Erbes<br />

berauben würde; denn er hat doch viel eher Anspruch auf diesen Rang als<br />

ich; und ich meinerseits möchte lieber den Martertod sterben, als meine<br />

Fehler bekennen.«<br />

»In m<strong>einem</strong> Haus«, sagte der Kaiser, »hat nur der zu bestimmen, den ich<br />

dafür ausersehe. Ich will es und gebiete es, daß Ihr der Dritte seid, der mein<br />

gesamtes Kriegsvolk befehligt. Nachdem mein unheilvolles Schicksal es mir<br />

nicht ersparte, daß ich den verloren habe, welcher der Trost meines Herzens<br />

war, und ich selbst, meines Alters wegen, nicht mehr in der Lage bin, zu den<br />

Waffen zu greifen, übergebe ich Euch sämtliche Vollmachten meiner<br />

Stellung, Euch und k<strong>einem</strong> anderen. Auch mein persönliches Wohl und<br />

Wehe lege ich ganz in Eure Hand.«<br />

Als Tirant gewahrte, wie ernst es der Kaiser meinte, nahm er den<br />

Marschallstab an, das Zeichen der höchsten Verantwortung für die<br />

Heerführung wie für die Gerichtsbarkeit, und küßte dem Herrscher die<br />

Hand. Die Trompeter und sonstigen Spielleute erhielten die Weisung,<br />

schmetternd durch alle Straßen der Stadt zu ziehen und lauthals den<br />

hoheitlichen Erlaß zu verkünden, daß Tirant lo Blanc

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