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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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nen Tod bedeuten. Sage ich es aber nicht, so muß ich gleichfalls sterben, vor<br />

Gram und Zorn.«<br />

»Meint Ihr«, sagte die Prinzessin, »ich würde Dinge, die geheim bleiben<br />

sollen, m<strong>einem</strong> Herrn Vater oder sonstwem weitersagen? Glaubt mir, ich bin<br />

keine von der Sorte, an die Ihr denkt. Seid also unbesorgt und sagt mir in<br />

aller Offenheit, was mit Euch los ist. Ich werde es für mich behalten,<br />

wohlverwahrt im geheimsten Winkel meines Herzens.«<br />

»Herrin, da Eure Hoheit mich nötigt, es auszusprechen, bleibt mir nichts<br />

anderes übrig, als zu gestehen: Ich liebe.«<br />

Und er sagte kein weiteres Wort, sondern senkte die Augen und starrte<br />

stumm auf den Schoß der Prinzessin.<br />

KAPITEL CXXVII<br />

Wie die Prinzessin Tirant beschwor,<br />

ihr zu sagen, wer die Dame sei,<br />

die er so heftig liebe<br />

ber, Tirant«, flüsterte die Prinzessin, »so wahr Gott Euch helfe,<br />

daß Ihr ans Ziel Eurer Sehnsucht gelangt, sagt mir, wer ist die<br />

Dame, die Euch derart viel Kummer macht? Wenn ich Euch<br />

irgendwie helfen kann, tue ich dies von Herzen gern. Spannt<br />

mich nicht länger auf die Folter, laßt es mich endlich wissen.«<br />

Tirant fuhr mit der Hand in seinen linken Ärmel, holte das wohlverpackte<br />

Spiegelchen hervor und sagte:<br />

»Herrin, das Bildnis, das Ihr darin erblicken werdet, kann mir den Tod geben<br />

oder das Leben schenken. Eure Hoheit verfüge, daß ich Gnade erfahre.«<br />

Die Prinzessin nahm sogleich das Spiegelchen an sich und entschwand mit<br />

hastigen Schritten in ihr Schlafgemach, fest davon überzeugt, sie finde in der<br />

Verpackung das gemalte Ebenbild einer weiblichen Person. Was sie aber<br />

dann erblickte, war nichts anderes<br />

450<br />

als ihr eigenes Gesicht. Schlagartig war ihr vollkommen klar, daß sie selbst es<br />

war, um die es sich drehte; und mit großem Erstaunen stellte sie fest, daß es<br />

möglich ist, wortlos um die Liebe einer Dame zu werben.<br />

Und wie sie eben voller Entzücken diese List des verliebten Tirant<br />

bewunderte, kamen die Muntere Witwe und Stephania herein. Die beiden<br />

fanden eine Prinzessin vor, die freudestrahlend ein Spiegelchen in der Hand<br />

hielt, und fragten wie aus <strong>einem</strong> Mund:<br />

»Herrin, woher habt Ihr diesen hübschen Spiegel?«<br />

Und die Prinzessin erzählte ihnen, auf welche Weise Tirant ihr seinen<br />

Liebesantrag gemacht habe; wobei sie hinzufügte, noch nie in ihrem Leben<br />

habe sie gehört, daß irgend jemand mit <strong>einem</strong> solchen Dreh sein Glück<br />

versucht habe.<br />

»Nicht einmal in den vielen Geschichtenbüchern, die ich gelesen habe, bin ich<br />

je auf eine so reizende Form, eine so witzige Art der Annäherung gestoßen.<br />

Wie vortrefflich doch die Ausländer in allem Bescheid wissen! Ich dachte<br />

immer, wir Griechen hätten die Weisheit, die Tüchtigkeit, den Anstand und die<br />

Vornehmheit gepachtet. Jetzt erst erkenne ich, daß die anderen Völker uns in<br />

vielem weit überlegen sind.«<br />

Die Muntere Witwe erwiderte:<br />

»Ach, Herrin! Ich sehe, daß Ihr auf die schiefe Ebene geraten seid und ins<br />

Schlittern kommt! Der eine Fuß rutscht Euch soweit vor, daß der andere nicht<br />

mehr <strong>nach</strong>kommt. Ich sehe, daß Eure Hände weit ausgestreckt sind, voller<br />

Erbarmen, und Eure Augen willig gewähren, was die des anderen begehren.<br />

Sagt mir, Herrin, ist es recht und ehrbar, daß Eure Hoheit einen Diener Eures<br />

Vaters so hofiert, wie Ihr es tut? Einen Menschen, den der Kaiser sozusagen<br />

aus purer Nächstenliebe in s<strong>einem</strong> Hause aufgenommen hat, <strong>nach</strong>dem derselbe<br />

von jenem berühmten König Siziliens vor die Tür gesetzt worden ist,<br />

mitsamt s<strong>einem</strong> zusammengewürfelten Landstreicherhaufen und s<strong>einem</strong><br />

geliehenen Flitter von Gold- und Seidengewändern? Und für einen Mann wie<br />

den da wollt Ihr den unvergänglichen Ruhm Eurer Keuschheit preisgeben und<br />

auf das Ehrenkleid einer Jungfrau, auf den Lebensstil einer Kaisertochter<br />

verzichten, um Euch der üblen Nachrede auszuliefern, dem Gehechel, vor<br />

dem es allen

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