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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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KAPITEL CCXLII<br />

Tirants Erwiderung auf<br />

die Worte von Wonnemeineslebens<br />

ür den sterblichen Menschen ist das Leben gesichert, wenn es<br />

von der Person verteidigt wird, die er von Herzen mag; und wenn<br />

meine Herrin ihre Macht, mir Leben zu geben, beiseite ließe,<br />

wenn sie sich allen Mitgefühls entledigte, so würde sie damit<br />

zeigen, daß sie die Absicht hat, mich zu opfern. Bedenkt, daß<br />

weder Todesangst noch Achtung des guten Rufes die Grenzsteine meines<br />

Wunschlandes verrückt. Wenn sie doch die Güte hätte und sich bemühen<br />

würde, nicht länger über mein Unglück zu lamentieren; denn ich selber habe<br />

es ja verursacht; und wenn sie willens ist, mir Leben zu schenken, kann sie<br />

nicht noch lange grausam gegen mich sein. Was für ein Verbrechen habe ich<br />

<strong>nach</strong> ihrer Meinung begangene Was sonst, als daß ich Ihre Hoheit geliebt<br />

habe? Deshalb flehe ich sie an, nicht für etwas bestraft zu werden, das<br />

wohlgetan ist. Und wunderbar wäre die Gnade, die Ihre Majestät mir erweisen<br />

würde, wenn ich sie bloß sehen dürfte, einmal von Angesicht zu Angesicht,<br />

denn mich dünkt, bei einer solchen Begegnung würde ein Großteil des<br />

Unmuts schwinden, den sie zu Unrecht gegen mich hegt.«<br />

Wonnemeineslebens antwortete:<br />

»Herr, erweist mir eine Gunst: schreibt ihr einen Brief; und ich werde sie so<br />

bearbeiten, daß sie Euch Antwort gibt. Aus der könnt Ihr dann entnehmen,<br />

was der Stand ihres Wollens ist.«<br />

Und während sie noch so miteinander sprachen, betraten die Männer den<br />

Raum, die von der Prinzessin ausgesandt worden waren, um<br />

Wonnemeineslebens zu suchen. Kaum hatten sie die Zofe erblickt, da sagten<br />

sie ihr Wort für Wort, was Karmesina ihnen aufgetragen hatte.<br />

Wonnemeineslebens erwiderte:<br />

»Sagt meiner Herrin, daß sie mich nicht mit Gewalt dazu zwingen kann, ihr zu<br />

dienen; denn ich will heim ins Haus meines Vaters.« »Wenn ich Euch an<br />

<strong>einem</strong> anderen Ort aufgespürt hätte«, sagte der Ritter, »würde ich mit ein<br />

wenig Gewaltanwendung Euch <strong>zur</strong> Rückkehr bewegen. Aber ich denke, daß<br />

es dem Kapitan nicht recht ist,<br />

214<br />

wenn Ihrer Majestät, der durchlauchtigen Prinzessin, der Dienst verweigert<br />

wird. Als vorbildlicher Ritter, der er ist, wird er die Mittel anzuwenden wissen,<br />

die hier angemessen sind.«<br />

»Seid unbesorgt«, sagte Tirant, »meiner Herrin soll jeder Dienst geleistet<br />

werden, den sie wünscht. Und ich werde diese junge Dame so herzlich um<br />

Einsicht bitten, daß sie recht bald bereit sein wird, mit Euch <strong>zur</strong>ück<strong>zur</strong>eiten.«<br />

Tirant ließ sich Tinte und Papier geben. Bei dem heftigen Schmerz, den er in<br />

s<strong>einem</strong> Bein spürte, konnte er nicht so schön schreiben, wie er dies gern<br />

getan hätte. Aber aller Misere zum Trotz malte er die folgenden, <strong>nach</strong> Liebe<br />

lechzenden Worte aufs weiße Papier.<br />

KAPITEL CCXLIII<br />

Der Brief, den Tirant der Prinzessin überbringen ließ<br />

enn meine Hand aus Furcht, Eure Majestät zu kränken, sich hätte<br />

hindern lassen, die Vollkommenheit Eurer königlichen Gestalt zu<br />

berühren, dann wäre mein maßloses Verlangen nicht in Euch <strong>zur</strong><br />

Ruhe gelangt. Aber mein unbeholfenes Denken reicht nicht hin,<br />

nun zu erkennen, wie ich den Siegespreis der Vergebung erlangen<br />

soll, es sei denn, Ihr habt die Kühnheit, Euch in meine Nähe zu wagen; und<br />

daß es solcher Überwindung bedarf, ist vor allem meiner großen Schuld<br />

zuzuschreiben. Doch welcher Mann kennt so viele unvergleichliche Liebreize,<br />

wie ich sie an Euch erkannt habe, Liebreize, die ich an keiner anderen je<br />

gewahrte, so vollkommen, von solch überwältigender Herrlichkeit, daß selbst<br />

die Seligen im Paradies keines größeren Glücks teilhaftig werden können. Die<br />

Angst, ich könnte die Liebe Eurer Durchlaucht einbüßen, verdoppelt meine<br />

Pein; keiner außer mir kann diesen Schmerz ermessen, denn wenn ich Eure<br />

Majestät verliere, geht mir alles verloren, was mir lieb und teuer ist, und alle<br />

Hoffnung wäre dahin, es jemals wiederzuerlangen. Ihr solltet bedenken, daß<br />

man

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