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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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verloren; denn ich sehe sonst keinen Ausweg aus m<strong>einem</strong> Elend. Ich bin<br />

ratlos, ich weiß nicht, wie ich dem entsetzlichen Unglück entrinnen soll, das<br />

mich getroffen hat.«<br />

Diafebus konnte die trostlosen Worte Tirants nicht länger mit anhören.<br />

Deshalb setzte er zu einer Erwiderung an.<br />

KAPITEL CXXI<br />

Was Diafebus zu Tirant sagte,<br />

um dessen Liebeskummer zu lindern<br />

ie Liebenden von einst, die das Verlangen hatten, eine<br />

leuchtende Spur ihres Glücks zu hinterlassen, rangen mit<br />

aller Kraft darum, <strong>zur</strong> Ruhe gefaßter Freude zu gelangen.<br />

Ihr aber seid darauf versessen, eines elenden Todes zu<br />

sterben. Das kann nicht unbemerkt bleiben und schadet Eurem Ruf.<br />

Da Ihr Euch nun mal in die Idee verrannt habt, eine solche Geliebte<br />

haben zu wollen, die Euch nicht von selbst in den Schoß fällt und<br />

auch nicht durch Anstrengungen Dritter in Euren Besitz gebracht<br />

werden kann, müßt Ihr den eigenen Kopf und die eigenen Kräfte<br />

aufbieten, um ans Ziel Eurer Wünsche zu kommen. Ich meinerseits<br />

biete Euch an, alle Vorarbeiten zu übernehmen, soweit sie mit der<br />

Wahrung Eurer Rechte vereinbar sind; wobei ich darauf hinweisen<br />

möchte, daß ich, wenn ich statt einer Seele deren hundert hätte, all<br />

diese hundert Leben gern aufs Spiel setzen würde im Dienst Eurer<br />

Liebe. Wenn Ihr aber tagtäglich ein derartiges Benehmen <strong>zur</strong> Schau<br />

stellt, wird man Euch das zum schweren Vorwurf machen, und<br />

untilgbare Schmach wird die Folge sein. Jeder gute Ritter sollte sich<br />

davor hüten und sein blindwütiges Wollen zügeln. Käme die Sache<br />

dem Kaiser zu Ohren, was Gott verhüten möge – wie stündet Ihr,<br />

wie stünden wir alle da? Was würde er sagen, wenn er hörte, Ihr<br />

hättet Euch gleich am ersten Tag Eures Hierseins in seine Tochter<br />

vernarrt, ohne Respekt vor ihrem Rang und Stand, ohne Rücksicht<br />

auf das Ansehen der Krone dieses Reiches, als wäret Ihr befugt, Euch<br />

424<br />

zum Richter in eigener Sache aufzuwerfen? Aus Eurem Verhalten geht<br />

deutlich hervor, daß Ihr in aller Unschuld hofft, die Leute würden Euch<br />

aufs Wort glauben, würden auf nichts weiter achten als auf das, was Ihr<br />

gradheraus sagt. Ihr bildet Euch ein, Ihr könntet über die Kriegstaktik<br />

reden und gleichzeitig an nichts als die Liebespraxis denken, ohne daß<br />

einer merkt, was mit Euch los ist: daß Ihr bis über beide Ohren verliebt<br />

seid. Wollt Ihr denn, daß jedermann Euch gleich am ersten Tag Eurer<br />

Verliebtheit auf die Schliche kommt? Ihr kennt doch das landläufige<br />

Sprichwort: ›Wo Rauch aufsteigt, muß auch ein Feuer sein.‹ Darum, Herr<br />

Kapitan, benutzt alle Klugheit, die Euch zu Gebote steht. Bezähmt auf<br />

jeden Fall Euer Verlangen und laßt keinen Menschen etwas merken von<br />

Euren Leidenschaften.«<br />

Tirant empfand diese weisen Worte als kräftigende Wohltat und freute<br />

sich innig über den so freundschaftlich gegebenen guten Rat seines<br />

Vetters. Ein Weilchen verharrte er in stillem Nachdenken, dann erhob er<br />

sich vom Bett und ging in den Saal nebenan, wo alle über das<br />

absonderliche Verhalten Tirants gerätselt hatten.<br />

Nachdem man gegessen hatte, bat er Diafebus, zum Palast zu gehen und<br />

einige besonders schöne Stundenbücher, die er besaß, der Infantin zu<br />

übergeben. Diese Bücher waren in Paris hergestellt worden, und ihre<br />

Einbände bestanden aus massiven Goldplatten, die mit feinen, kunstvollen<br />

Emailbildern verziert waren. Zum Verschließen hatte jeder Band ein<br />

Gewindeschloß, das so versteckt angebracht und sinnig konstruiert war,<br />

daß kein Uneingeweihter, wenn der Schlüssel abgezogen war, herausfinden<br />

konnte, wo das Buch sich öffnen ließ. Die Blätter, die es enthielt, waren in<br />

wunderschöner Schrift beschrieben, und die Geschichten, die da auf<br />

ungewöhnliche Weise erzählt wurden, waren so herrlich illuminiert, daß<br />

jeder, der das zu sehen bekam, erklärte, prächtigere Stundenbücher könne<br />

man derzeit gewiß nicht finden.<br />

Diafebus holte einen hübsch gekleideten Pagen und gab ihm die<br />

wohlverpackten Bücher zu tragen. In den Palast gelangt, fand der Ritter<br />

den Kaiser im Gesellschaftsgemach der Damen und begrüßte ihn mit den<br />

Worten, die zu sagen er von Tirant beauftragt war.<br />

»Majestät, Euer Kapitan, der begierig ist, Eurer Hoheit jeden Dienst zu<br />

erweisen, der ihm befohlen wird, weiß nicht, womit er Euch

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