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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Nach dem Schmaus ging der König hinaus auf die Wiese, und dort begann<br />

man zu tanzen. Den Hauptkämpen wurde rasch die Rüstung abgenommen,<br />

und alle sechsundzwanzig erschienen da in ihren Kettenhemden, jeder mit<br />

<strong>einem</strong> goldbestickten Wams von gleicher Farbe und gleichem Schnitt, auf<br />

dem Kopf eine scharlachrote Mütze mit einer schönen Brosche, so daß sie<br />

den Eindruck erweckten, als wären sie lauter Ritter von fürstlichem Stand und<br />

hohem Ordensrang.<br />

Als man genug getanzt hatte, folgten wir alle dem König, um uns die<br />

Schranken anzuschauen, ich meine: die verschiedenen Wettkampfstätten. Der<br />

Platz für die Tjosten war vorzüglich hergerichtet, mit vielen<br />

Zuschauertribünen; ebenso die anderen Turnierplätze. Überall hatte man die<br />

Emporen mit schönen, prächtig schimmernden Atlasstoffen behangen, und<br />

die Schranken selbst waren gleichfalls mit Tüchern und Bändern geschmückt.<br />

Nach diesem Besichtigungsgang wurde von seiten der Standhalter die Bitte an<br />

den König herangetragen, er möge mit allen Anwesenden zu ihrem Lager<br />

gehen, um dort mit ihnen zu Abend zu essen. Und der König nahm die<br />

Einladung freudig an. Als das abendliche Gelage sich s<strong>einem</strong> Ende zuneigte,<br />

verkündeten die Wappenkönige, jeder Ritter oder Edelmann, der tjosten wolle<br />

oder die Absicht habe, sich an irgend<strong>einem</strong> der anberaumten Kampfspiele zu<br />

beteiligen, müsse sich noch am heutigen Abend an der Turnierstätte melden<br />

und dort angeben, für welche Waffe er sich entschieden habe. Schriftlich<br />

müsse diese Wahl auf blutrotem Papier bezeugt werden, und ein jeder habe<br />

seine Willensbekundung persönlich zu überbringen, in Begleitung all seiner<br />

Kampfgenossen, unter die sich keine andere Person mischen dürfe.<br />

Flankiert von zwei Ehrenjungfern oder zwei Damen, je <strong>nach</strong> eigenem<br />

Wunsch, geleitet von den Seinigen und vielen vorausziehenden Spielleuten,<br />

zog also ein jeder Turnieranwärter zum Turnierplatz. Bei der Schranke<br />

angelangt, mußte er dann seinen Namen nennen und bekennen, von welchem<br />

Vater und aus welchem Lande er stamme, ehe er bekanntzugeben hatte, mit<br />

welchen Waffen er anzutreten gedenke und wem zu Ehren er kämpfen wolle,<br />

ob für eine verheiratete Dame oder für eine Jungfrau, für eine Nonne oder<br />

eine<br />

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Witwe. Sagte einer, der von zwei Frauen hergebracht worden war, er wolle für<br />

ein Mädchen in die Schranken treten, so verließen ihn diese Damen, und zwei<br />

Jungfrauen nahmen ihn in die Mitte, um ihm zu huldigen, während alle<br />

anwesenden Mädchen riefen: ›Der Herr im Himmel schenke unserem Ritter<br />

den Sieg, ihm, der es verdient, daß ihm Ehre zuteil wird und die Liebe einer<br />

Jungfrau!‹ War aber eine Witwe, eine Nonne oder eine verheiratete Frau die<br />

Auserwählte, der zu Ehren der Sieg errungen werden sollte, so widerfuhr ihm<br />

Entsprechendes von seiten der Standesgenossinnen jener Erkorenen.<br />

Da<strong>nach</strong> erhielt jeder Bewerber die Erlaubnis, sich in das Kastell jener<br />

sechsundzwanzig Ritter zu begeben, ohne ahnen zu können, mit welchem<br />

dieser Standhalter er sich zu messen haben würde. Er überreichte das<br />

blutrote Papier, auf dem geschrieben stand, welche Waffen er gewählt hatte,<br />

der Dame seines Herzens – der Frau oder Jungfrau, Witwe oder Nonne –,<br />

und diese erstieg dann die hohe Empore, auf der die Hauptkämpen saßen,<br />

und legte das Schriftstück auf ein goldenes Kästchen. Die Ritter erhoben<br />

sich alle und erwiesen der Dame, die das Dokument überbrachte, ihre<br />

Hochachtung. Diese stieg daraufhin die Stufen der Empore herab, und es<br />

verlautete, am nächsten Morgen solle jeder wiederkommen, der in die<br />

Schranken treten wolle.«<br />

KAPITEL LIII<br />

Wie Tirant dem Einsiedler<br />

die unglaublichen Eigenschaften des Wunderfelsens darstellte<br />

achdem all dies in der geschilderten Weise geschehen war,<br />

brachen wir auf und begaben uns, nahe der Stadt, auf eine<br />

weite, baumreiche Aue, die ein großer Fluß durchströmt. Und<br />

mitten in diesem Wiesengrund erblickten wir etwas Großartiges,<br />

Wunderbares, das auf der Welt wohl nicht seinesgleichen hat.«<br />

»Ich bin gespannt«, sagte der Einsiedler. »Laßt hören, was für eine Sache es<br />

war, die Euch so erstaunt und entzückt hat.«

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