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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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verliert. Nehmt Euch also mit Euren eigenen Händen diese Brosche.‹<br />

Tirant fühlte sich hoch beglückt von der Antwort der schönen Agnes. Und<br />

da die Brosche an der Verschnürung ihres Mieders befestigt war und sich<br />

nicht abnehmen ließ, ohne daß man das Mieder aufschnürte, berührte er<br />

beim Nesteln zwangsläufig ihre Brüste mit seinen Händen. Schließlich hatte<br />

er die Brosche auf der Hand, küßte sie, warf sich auf die Knie und sprach:<br />

›Ich kann Euch nicht sagen, Herrin, wie sehr ich Eurer Hoheit danken<br />

möchte für das große Geschenk, das Ihr mir gemacht habt; denn es bedeutet<br />

mir mehr, als wenn Ihr mir ganz Frankreich gegeben hättet. Und ich gelobe<br />

es Gott, daß derjenige, der mir diese Brosche wegnimmt, mit s<strong>einem</strong> Leben<br />

dafür bezahlt.‹<br />

Dann heftete er sie an den Hut, den er trug.<br />

Am Tag darauf, während der König die Messe hörte, kam ein französischer<br />

Ritter, der sich Herr von Vilesermes nannte. Es war ein wackerer Mann und<br />

erfahrener Kämpe. Er suchte Tirant und sprach ihn an mit den Worten:<br />

›Ritter, welcher Abkunft Ihr auch sein mögt – es war eine dreiste Frechheit<br />

von Euch, einen so himmlischen Leib wie den der schönen Agnes zu<br />

berühren. Und kein Ritter auf der Welt hat je sich ein so ungebührliches<br />

Ansinnen erlaubt. Darum ist es unausweichlich, daß Ihr mir die Brosche<br />

aushändigt, freiwillig oder dem Zwang gehorchend. Denn ich habe ein<br />

Anrecht darauf, da ich seit meiner Knabenzeit diese Dame liebe, sie verehre<br />

und ihr diene, ihr, der Einzigen, Unvergleichlichen, die es verdiente, daß alle<br />

Güter der Welt ihr zu Füßen liegen. Mir steht dieses Glücksgeschenk zu,<br />

denn unter vielen Mühen, Kümmernissen und Sorgen habe ich es geschafft,<br />

ihre Gunst zu gewinnen. Deshalb muß ich endlich den Lohn erlangen, den<br />

Preis, der meine Jugend krönt, die ich weithin vertan habe im Dienst der<br />

Huld, die ich von ihr erhoffe. Und wenn Ihr dieses Juwel nicht willig<br />

herausrückt, habt Ihr nicht mehr lange zu leben. Tretet es mir gütlich ab, ehe<br />

Euch größeres Unheil daraus erwächst.‹«<br />

186<br />

KAPITEL LXI<br />

Die Antwort, die Tirant dem Herrn von Vilesermes gab,<br />

als dieser ihm die Brosche abverlangte,<br />

welche er von der schönen Agnes erhalten hatte<br />

ine große Schmach wäre es für mich‹, sagte Tirant, ›wenn ich<br />

das hergeben würde, was mir großmütig geschenkt worden ist<br />

und was ich mit eigenen Händen von ihrer Brust gepflückt<br />

habe. Bräche ich mein Versprechen, den Schwur, den ich<br />

geleistet habe, würde man mich für den erbärmlichsten, feigsten<br />

Ritter halten, der je das Licht der Welt erblickt hat oder erblicken wird. Eine<br />

Sturmhaube voll glühender Kohlen müßte man mir aufsetzen, wenn ich so<br />

etwas täte. Ihr aber, Ritter, legt mit der üblen Tonart, die Ihr Euch erlaubt,<br />

einen maßlosen Hochmut an den Tag, der es wohl erforderlich macht, daß<br />

ich ihn dämpfe.‹<br />

Der Ritter machte Anstalten, ihm die Brosche zu entreißen; doch Tirant war<br />

auf der Hut: er griff <strong>nach</strong> <strong>einem</strong> Messer, das er bei sich hatte, und alle<br />

anderen sprangen auf. Es entstand ein wüstes Handgemenge, wie bei <strong>einem</strong><br />

Wirtshausgezänk; aber ehe die Streitenden getrennt wurden, waren zwölf<br />

Ritter und Edelleute tot zu Boden gesunken. Die Königin, die in nächster<br />

Nähe weilte, hörte den Krawall und die lauten Schreie, welche die Mannen<br />

ausstießen; rasch trat sie dazwischen und sorgte dafür, daß sie abließen<br />

voneinander. Ich darf wohl als Zeuge dieses Spektakels gelten, denn ich<br />

habe am eigenen Leib vier Hiebe abbekommen; und vielen anderen, die sich<br />

an der Keilerei beteiligten, ist es nicht besser ergangen. Als der König<br />

Kenntnis erhielt von dem Zwischenfall, war der Friede bereits wiederhergestellt.<br />

Es dauerte jedoch keine drei Tage, bis ein kleiner Page bei<br />

Tirant erschien und ihm im Auftrag des französischen Ritters einen Brief<br />

übergab, der folgenden Wortlaut hatte.«

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