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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Gunst erweisen. Eure klare Sicht der Dinge bewirkt Ehre und Ruhm. Aber<br />

seht zu, daß Ihr jetzt mit dem Leben davonkommt. Ich verlasse Euer<br />

Gnaden, um schnurstracks dorthin zu gehen, wo mein König ist – und das<br />

Wesen, das ich am meisten liebe auf dieser elenden Welt.«<br />

Und als er sich von s<strong>einem</strong> Vater entfernte, davonreitend in Richtung auf die<br />

Burg, hörte er ein ungeheures Gelärm von Kriegsleuten. Erschrocken fragte<br />

er sich, voller Angst, ob da ein Angriff im Gange sei, die Erstürmung jener<br />

Burg, in der sein König und seine Liebste sich aufhielten. Als er dann auf<br />

den Gipfel einer Anhöhe kam, überschaute er die gewaltigen<br />

Kampfmaßnahmen und erkannte, daß die Attacke der anderen Burg galt.<br />

Sehr erleichtert trabte er weiter und gelangte mit fünfzehn berittenen<br />

Gefolgsleuten in die Burg, auf der sich der König verschanzt hatte.<br />

Der Emir der Emire aber, der mit argwöhnischer Vorsicht sich aus dem<br />

Staub gemacht hatte, konnte sich unterdessen in seine eigene Burg flüchten,<br />

in diejenige, wo Tirant gefangengehalten wurde. Kaum war er vom Pferd<br />

gestiegen, liebevoll begrüßt von <strong>einem</strong> seiner Söhne, da fragte er, was mit<br />

dem gefangenen Christen sei. Und man sagte ihm, der liege im Kerker und<br />

werde gut bewacht. Da wurde der Emir sehr zornig; er hatte nämlich nicht<br />

vergessen, was der Fremdling gesagt hatte, als er beim Aufbruch zu Boden<br />

gefallen war: daß er dieses Land zu erobern habe. Oftmals hatte der<br />

Hauptmann der Hauptleute an diese Worte gedacht, und <strong>nach</strong>sinnend über<br />

sie, hatte er sich gesagt, daß dieser Mann, der ja ein Christ war, wohl sehr<br />

geschickt im Waffenhandwerk sein müsse. Er begab sich in den Kerker, um<br />

<strong>nach</strong> ihm zu sehen, und begrüßte ihn mit überaus freundlicher Miene, in<br />

dem Bewußtsein, daß der Fremdling Grund genug hatte, verdrossen zu sein<br />

und ihm zu grollen, weshalb er ihn folgendermaßen anredete.<br />

KAPITEL CCCIII<br />

Wie der Emir den gefangenen Tirant zu ermuntern suchte<br />

ch bitte dich, tapferer Christ – sei nicht gekränkt wegen der<br />

schlechten Behandlung, die mein Sohn dir hat widerfahren<br />

lassen; denn ich schwöre dir bei Mohammed, daß dies nicht auf<br />

Weisung oder Wunsch von mir geschehen ist. Glaube nicht, daß<br />

ich jemals eine solche Absicht gehabt hätte. Mein fester Vorsatz<br />

war vielmehr, während all der Zeit, in der ich dich nicht gesehen habe, dich<br />

an Sohnes Statt anzunehmen, weil ich gewahre, daß du das verdienst. Sei<br />

also, bitte, fröhlich und getrost, denn ich habe die Hoffnung, daß ich selbst<br />

dank dir wieder Trost finde. Und ich bitte dich um Verzeihung, denn ich<br />

weiß wohl, daß du zu Recht dich über mich beklagen kannst; aber ich gelobe<br />

dir, mit dem Ehrenwort eines Ritters, daß ich, falls ich am Leben bleibe, dir<br />

Genugtuung und solch eine Entschädigung verschaffen werde, daß du<br />

zufriedengestellt sein wirst. Und wundere dich nicht, wenn ich als ein Ritter,<br />

der flüchtend sich dem Kampf entzogen hat, dich um meines Herrn willen<br />

ersuche, uns Hilfe zu leisten; denn ich glaube, daß du, Christ, gewiß sehr viel<br />

verstehst von der Kriegskunst und ständig an Kriegen teilgenommen hast –<br />

<strong>nach</strong> den Merkmalen zu schließen, die an dir zu erkennen sind. Was mich<br />

jedoch am meisten davon überzeugt hat, ist die Tatsache, daß du, als du zu<br />

Boden fielst, erklärtest, du würdest mit Hilfe deines Gottes dieses ganze<br />

Land erobern. Und zusätzlich bin ich in dieser Überzeugung noch durch<br />

etwas anderes bestärkt worden: Als ich nämlich dich nackt sah, ohne Hemd,<br />

und deinen wohlgebauten Körper betrachtete, der dem des von Pfeilen<br />

durchbohrten Sebastian gleicht; als ich wahrnahm, wie voll Wunden dein<br />

Leib ist, die man mitleidlos dir zugefügt hat – da bin ich zu dem Schluß<br />

gekommen: Die hast du nicht erhalten, als du im Schlafe lagst, und deine<br />

Hände sind dabei gewiß nicht untätig gewesen. Damit, scheint mir, ist<br />

hinreichend bewiesen, daß du mit Waffen tüchtig umgehen kannst und<br />

Kriegserfahrung besitzt. Und ich weiß nicht, was dich nötigen sollte, einen<br />

anderen als mich zum Vater haben zu wollen; und ich verstehe nicht, warum<br />

du den Tod<br />

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