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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Goldplättchen hatte. Und viele Männer waren erschienen, die sich an<br />

ebenjenem Tag zum Ritter schlagen ließen, um als Kämpen an dem<br />

Schauspiel teilnehmen zu dürfen.<br />

Und der Vicomte, der noch kein Ritter war, stieg, als er diese Regelung<br />

erfuhr, vom Pferd, um nicht gegen die Anordnung des Kaisers zu verstoßen,<br />

und begab sich, als schon alle Streiter auf dem großen Kampfplatz angetreten<br />

waren, hinauf <strong>zur</strong> Empore der Kaiserin und bat die Herrscherin, sie möge so<br />

gnädig sein, ihm auf der Stelle den Ritterschlag zu erteilen.<br />

Die Prinzessin wandte ein:<br />

»Na, wieso das? Wäre es nicht angemessener, wenn der Herr Kaiser selbst<br />

Euch eigenhändig zum Ritter schlagen würde?«<br />

»Durchlaucht«, antwortete der Vicomte, »ich habe ein Gelübde geleistet, mir<br />

die Ehre des Ritterschlages nicht von der Hand eines Mannes erteilen zu<br />

lassen, wer immer der auch sein mag; denn eine Frau hat mich <strong>zur</strong> Welt<br />

gebracht, und eine Frau ist die, die ich liebe; und aus Liebe zu einer Frau bin<br />

ich hierhergekommen, und durch eine Frau ist mir viel Ehre zuteil geworden.<br />

Mit Fug und Recht bestehe ich also darauf, daß eine Frau mich zum Ritter<br />

macht.«<br />

Die Kaiserin ließ den Fall durch einen Boten dem Kaiser vortragen, und der<br />

kam persönlich herbei, mitsamt den Gesandten, und sagte der Kaiserin, sie<br />

solle dem Sir d’Amer den Ritterschlag erteilen; und so geschah es denn auch.<br />

Die Prinzessin ließ ein herrliches Schwert bringen, das ihrem Vater, dem<br />

Kaiser, gehörte; ein Schwert, dessen Knauf wie der gesamte Handschutz aus<br />

Gold war. Damit gürtete sie den Vetter Tirants. Und der Kaiser ließ Sporen<br />

bringen, die waren aus massivem Gold, und in jedes Sporenrad war ein<br />

Diamant oder Rubin, ein Balaß oder ein Saphir eingelassen. Diese Sporen<br />

übergab der Herrscher den Töchtern der Herzöge, damit die Mädchen einen<br />

davon dem Gast anlegten; denn der Kaiser gestattete nicht, beide Fersen<br />

damit aus<strong>zur</strong>üsten. Wer nämlich von der Hand einer Frau zum Ritter<br />

geschlagen werden will, der darf nur <strong>zur</strong> Hälfte Gold und <strong>zur</strong> Hälfte Silber<br />

tragen, also einen goldenen und einen weißen Sporn. Demgemäß wurde auch<br />

bei ihm verfahren. Das Schwert durfte ganz aus Gold sein, aber für die<br />

Stickerei auf der Kleidung wie für das Schuhwerk und die Schabracken gilt<br />

die strikte Regel: halb silberhell,<br />

halb golden. Es ist Sitte, daß die Dame, die einen Mann zum Ritter geschlagen<br />

hat, denselben küßt; und dies tat da<strong>nach</strong> auch die Kaiserin.<br />

Der Vicomte verließ die Empore und begab sich auf den Turnierplatz. Der<br />

Herzog von Pera führte die eine Hälfte der Mannen an, Tirant die andere<br />

Hälfte. Und um erkennen zu können, welcher Mannschaft nun der oder jener<br />

angehörte, hatte jeder ein Fähnchen am Helm: die einen waren grün<br />

bewimpelt, die anderen weiß. Tirant ließ zehn Ritter in das Geviert preschen,<br />

wo das Gefecht stattfinden sollte, und der Herzog schickte zehn von den<br />

Seinigen los. Und beiderseits begann man, sich höchst wacker zu bekämpfen.<br />

Später kamen je zwanzig neue Kämpen hinzu, und <strong>nach</strong> einer weiteren Weile<br />

je dreißig, die sich, einer <strong>nach</strong> dem anderen, ins Getümmel warfen. Und ein<br />

jeder bemühte sich mit aller Macht, die Hände so gut zu regen, wie er nur<br />

irgend konnte. Und Tirant beobachtete seine Leute. Als er sah, daß sie den<br />

kürzeren zogen, fuhr er mit der Lanze mitten in den Pulk der wildesten<br />

Bedränger und traf einen Ritter mit solcher Wucht, daß die Waffe ihn<br />

durchbohrte und deren Spitze aus s<strong>einem</strong> Rücken drang. Dann zog der<br />

Bretone das Schwert und teilte gewaltige Schläge <strong>nach</strong> allen Seiten aus, mit<br />

solcher Wildheit, daß es schien, als wütete da ein hungriger Löwe, und alle<br />

Zuschauer mit Erstaunen die maßlose Kraft und den großen Mut<br />

bewunderten, welche Tirant bei dieser Gelegenheit erwies.<br />

Der Kaiser zeigte sich höchlich zufrieden angesichts einer solch glanzvollen<br />

Darbietung des Waffenhandwerks, wie es dieses Turnier war. Als es schon fast<br />

drei Stunden im Gange war, kam der Kaiser von der Tribüne herab, bestieg<br />

ein Pferd und ritt mitten ins Kampfgewühl, um die Streiter zu trennen, weil er<br />

gesehen hatte, daß Zorn ins Spiel kam und es bereits viele Verwundete gab.<br />

Nachdem alle Ritter die Rüstung abgelegt hatten, gingen sie zum Palast, und<br />

dort redete man ausführlich über das Kampfspektakel, das so unvergleichlich<br />

war, daß die Ausländer erklärten, solch schöne Turnierkämpen hätten sie noch<br />

nie gesehen, derart prächtig ausgestattet mit schabrackengeschmückten<br />

Pferden und herrlichen Waffen. Allgemein war man der Meinung, daß es ein<br />

Fest war, wie es so schnell kein zweites geben würde. Der Kaiser setzte sich an<br />

die Tafel<br />

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