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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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»Was nutzt es, Herrscher zu sein, Regent des Griechischen Reiches, wenn<br />

alles meinen Händen entschwindet? Was nutzen mir all die Glücksgüter, die<br />

ich besitze, wenn ich ihrer beraubt sein soll? Was nutzt es, eine ehrbare, gute<br />

Tochter zu haben, die niemals meine Habe erben kann, weil wir alle durch<br />

meine Schuld, durch mein sündhaftes Versagen als Gefangene in die Hände<br />

von Ungläubigen fallen? Was nutzt es, eine Gemahlin zu haben, Frauen und<br />

Jungfrauen, die mir dienen, wenn ich selbst zum Diener von Heiden werde<br />

und mit ansehen muß, wie diese Damen und Mädchen von Barbaren entehrt<br />

werden? Welche Qual für meine Augen, wenn sie solch einen Frevel erleben<br />

müssen! Ich glaube, mein Herz wird zerspringen vor lauter Schmerz.«<br />

Die Prinzessin näherte sich ihrem Vater, um ihn zu trösten; denn die Kaiserin<br />

und die Zofen waren in eine so trostlose Traurigkeit versunken, daß es<br />

k<strong>einem</strong> Menschen möglich gewesen wäre, ihnen aus der Trübsal<br />

herauszuhelfen.<br />

Die Unheilskunde ging wie ein Lauffeuer durch die Stadt, und alle, die darin<br />

wohnten, klagten herzzerreißend um die Freunde und Verwandten, von<br />

denen man glaubte, sie seien gestorben. Schrill gellten durch die Gassen die<br />

Schreie der Mütter, die heulend ihre Brüste schlugen, die Augen zum Himmel<br />

richteten und unter Tränen die Heimsuchung ihrer Stadt bejammerten, als<br />

wäre diese bereits von den Feinden erobert.<br />

Überlassen wir sie ihrem Leid und wenden uns wieder Tirant zu, um zu<br />

sehen, was er tat.<br />

Nachdem er durch seine mahnenden Worte die Ritter ermutigt hatte,<br />

verharrten diese in gespannter, hoffnungsvoller Erwartung, voller Vertrauen<br />

auf die klug vorausschauende Planung ihres Feldherrn.<br />

Tirant ließ rings um das Lager auf der Anhöhe zahlreiche Wachen aufstellen,<br />

inspizierte die Posten selbst und vergewisserte sich, daß seine gesamte<br />

Truppe ordentlich untergebracht und versorgt war. Dann holte er sich einen<br />

Mann und ging mit diesem bergab, am rückwärtigen Hang, um nicht<br />

gesehen zu werden. Als sie unten waren, legte er die Rüstung ab, versteckte<br />

sie unter <strong>einem</strong> buschig dichten Baum und begab sich mit eiligen Schritten<br />

<strong>zur</strong> Burg des<br />

530<br />

Grimmigen Nachbarn. Gemäß der Vereinbarung, die er mit diesem<br />

getroffen hatte, nahm er dort zwei Steine, einen in jede Hand, und schlug sie<br />

gegeneinander. Als der Burgherr das verabredete Zeichen hörte, begriff er<br />

sofort, daß es Tirant war, von dem dieses Klacken kam. Sobald die<br />

Zugbrücke herabgelassen war, die Torflügel sich geöffnet hatten, trat der<br />

Bretone ein und fand alles vor, was er für die Ausführung seines Planes<br />

benötigte. Zunächst ließ er eine Menge Öl und Teer hinausschaffen, auch<br />

Pech und Schwefel sowie sonstige Materialien, die sich zum Entfachen eines<br />

Feuers eignen. Da<strong>nach</strong> schleppte man viele Klafter trockenen Holzes ans<br />

Wasser. Und mit all diesen Dingen ließ er nun das brückenartige Fahrzeug<br />

beladen, das <strong>nach</strong> seinen Weisungen gezimmert worden war. Schließlich ließ<br />

er noch zwei lange Taue anbringen, eines an jeder der zwei Ketten des<br />

Floßes. Zwei Männer setzten sich daraufhin in ein kleines Boot, das die<br />

Burgbewohner für gewöhnlich zum Fischen im Fluß benutzten. Und jeder<br />

der beiden, die dem Gefährt zu folgen hatten, nahm ein Tau in die Hand.<br />

Sobald man das Floß losgemacht hatte, begann es mit der Strömung<br />

flußabwärts zu treiben. Und Tirant ermahnte die Männer noch, sie sollten<br />

die Ladung nicht anzünden, bevor sie in der Nähe der Holzbrücke seien.<br />

Auf ihrer Fahrt den Strom hinunter mußten sie wiederholt, wenn der<br />

Wasserlauf eine Windung machte und das Floß hängenließ, das eine Tau<br />

etwas einholen und dem anderen freien Lauf lassen, so daß das Floß sich<br />

längs legte und mit der Schmalseite <strong>nach</strong> vorn weiterkam. Wollten sie dann,<br />

daß es wieder in Querlage kam, brauchten sie nur die Länge der Taue auszugleichen,<br />

und schon nahm es erneut die ganze Flußbreite ein.<br />

Als die Türken flußabwärts eine gewaltige Flammenwand gewahrten,<br />

glaubten sich alle verloren. Der Sultan ließ den von ihm angelegten<br />

Belagerungsring im Stich, desgleichen taten all seine Leute, und so schnell sie<br />

konnten, hasteten sie zu der Holzbrücke <strong>zur</strong>ück. Da er ein gutes Pferd hatte,<br />

erreichte der Sultan gerade noch rechtzeitig die Brücke, ehe diese von den<br />

Flammen erfaßt wurde, und preschte im Galopp darüber, gefolgt von einer<br />

rasenden Menge anderer Angstgehetzter. Hätten die beiden Männer im<br />

Fischerkahn Tirants Anweisung genau befolgt und das Entfachen des Feuers<br />

noch ein wenig verzögert, wäre kein einziger Muselmane mehr<br />

hinübergekommen;

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