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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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dete sich von allen und suchte seine Herberge auf, wo er irgendein<br />

Schlafgemach betrat, sich zu Füßen einer Lagerstatt auf den Boden hockte,<br />

seinen Kopf <strong>zur</strong>ücklehnte und auf ein Kissen sinken ließ. Nach <strong>einem</strong><br />

Weilchen kamen etliche, um ihn zu fragen, ob er nicht essen wolle. Tirant<br />

verneinte dies und behauptete, er habe Kopfschmerzen. In Wirklichkeit war<br />

er an jener Leidenschaft erkrankt, die vielen den Kopf verdreht. Diafebus,<br />

der bemerkte, daß Tirant nicht zu Tisch kam, wollte <strong>nach</strong> ihm sehen, trat ins<br />

Zimmer und sagte:<br />

»Herr Kapitan, ich bitte Euch, tut mir die Liebe und sagt, was Euch fehlt;<br />

denn wenn ich Eurer Unpäßlichkeit mit irgend<strong>einem</strong> Mittel abhelfen kann, so<br />

tue ich das von Herzen gern.«<br />

»Lieber Vetter«, sagte Tirant, »es ist nicht nötig, daß Ihr dem Grund meiner<br />

momentanen Unpäßlichkeit <strong>nach</strong>forscht; was mir zusetzt, ist nichts weiter als<br />

die wehende Seeluft. Sie preßt mir den Schädel derart zusammen, daß ich<br />

manchmal meine, ich hätte da, wo einmal das Hirn war, nur noch eine<br />

schmerzende Nuß; als schrumpfte das Kopfweh <strong>zur</strong> kieselharten Qualnuß<br />

oder Wehnuß.«<br />

»O Kapitan! Wollt Ihr Euch vor mir verstecken, vor mir, der ich stets das<br />

Geheimarchiv all dessen gewesen bin, was Ihr an Leiden oder Freuden jemals<br />

erlebt habt? Und jetzt, wegen einer Kleinigkeit, versucht Ihr auf einmal, mich<br />

fernzuhalten von Euren Geheimnissen? Sagt mir’s doch, ich flehe Euch an.<br />

Verbergt mir nichts, was Euch bedrückt.«<br />

»Quält mich doch nicht noch mehr«, sagte Tirant. »Noch nie in m<strong>einem</strong><br />

Leben habe ich einen so bohrenden Schmerz verspürt wie den, der jetzt in<br />

mir tobt. Er bringt mich binnen kurzem soweit, daß ich eines elenden Todes<br />

sterbe, oder führt zu einer jäh beseligenden Genesung, falls Fortuna mir nicht<br />

feindlich gesinnt ist. Freilich, solche Dinge enden immer mit Schmerz; denn<br />

bitter ist die Liebe.«<br />

Dabei kehrte er sich ab, aus Scham; denn er wagte es nicht, Diafebus ins<br />

Gesicht zu blicken. Er brachte keinen vernünftigen Satz mehr heraus, nur<br />

noch die zwei Wörter:<br />

»Ich liebe.«<br />

Kaum hatte er das gesagt, da stürzten ihm heiße Tränen aus den<br />

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Augen, während Schluchzer und Seufzer sich seiner Kehle entrangen. Als<br />

Diafebus das verschämte Gebaren Tirants gewahrte, begriff er auf einmal,<br />

weshalb dieser früher alle Burschen aus seiner Sippe und selbst die Leute,<br />

mit denen er befreundet war, immer tadelte, wenn sie gelegentlich über<br />

ihre Liebschaften sprachen. Er pflegte in solchen Fällen zu sagen: »Ihr seid<br />

doch Narren, ihr alle, die ihr euch verliebt. Schämt ihr euch denn nicht,<br />

euch selbst der Freiheit zu berauben und sie in die Hände eures Feindes zu<br />

legen, der euch eher zugrunde gehen läßt, als daß er sich eurer erbarmt<br />

und euch Gnade erweist? . « Damit verlachte und verspottete er alle. Doch<br />

nun hatte er sich offensichtlich selbst in den Schlingen verfangen, derer<br />

sich zu erwehren keine Menschenkraft genügt.<br />

Diafebus dachte an die lindernden Mittel, die in <strong>einem</strong> solchen Notfall<br />

erforderlich sind, und begann ihm gut zu<strong>zur</strong>eden, mit freundlicher Miene<br />

und in mitfühlendem Ton.<br />

KAPITEL CXIX<br />

Trostargumente, die Diafebus vorbrachte,<br />

da er Tirant in der Würgeschlinge der Liebe schmachten sah<br />

ieben zu müssen ist ein Grundgesetz der menschlichen Natur.<br />

Schon Aristoteles sagte ja, ein jeglich Ding ver- lange <strong>nach</strong> dem,<br />

was ihm ähnlich ist. Und obwohl es Euch hart und befremdlich<br />

ankommen mag, unters Joch der Liebe gespannt zu sein, könnt<br />

Ihr mir wirklich glauben, daß niemand es vermag, sich den<br />

Zwängen dieser Macht zu widersetzen. Darum, Herr Kapitan, gilt die Regel:<br />

Je klüger ein Mensch ist, desto diskreter muß er die natürlichen Regungen<br />

verbergen, statt das Leid und den Schmerz, die sein Gemüt erschüttern,<br />

sichtbar <strong>nach</strong> außen dringen zu lassen; denn was ein Mensch taugt, zeigt sich<br />

dann, wenn er, heimgesucht von solchen Anfechtungen, die Sturm- fluten<br />

der Liebe tapferen Herzens zu bestehen weiß. Seid also fröhlich und laßt ab<br />

von der Versessenheit, mit der Ihr vor Euch hingrü-

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