22.12.2012 Aufrufe

Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

en, daß diese Stadt Pera die einströmenden Massen bald nicht mehr fassen<br />

konnte. Deshalb erbaute mein Großvater eine neue Stadt mit vielen noblen<br />

Gebäuden und gab ihr – die heute unsere Residenz ist – den Namen<br />

Konstantinopel. Und er selbst wurde von da an der Kaiser von<br />

Konstantinopel genannt.«<br />

Als sie Pera verließen und <strong>nach</strong> Konstantinopel <strong>zur</strong>ückkehrten, war es bereits<br />

finstere Nacht geworden.<br />

Mit dem Kaiser stieg Tirant hinauf zum Gemach der Kaiserin, und dort<br />

unterhielt man sich über vielerlei Dinge, wobei Tirant ein nicht eben<br />

sonderlich vergnügtes Gesicht zeigte. Als es ihm an der Zeit schien, bat er<br />

den Herrscher um die Erlaubnis, sich entfernen zu dürfen, verabschiedete<br />

sich von den Damen und suchte seine Herberge auf.<br />

Am darauffolgenden Tag durchlitt die Prinzessin Stunden quälenden<br />

Kummers; denn die Worte, die sie aus Tirants Mund vernommen hatte,<br />

beunruhigten ihr Herz, obwohl oder gerade weil ihr der Kaiser alles mitteilte,<br />

was zwischen den beiden geredet worden war.<br />

Am Morgen, als der Kaiser gemeinsam mit allen Damen die Messe hörte,<br />

betrat Tirant die Kirche und sprach sein Gebet. Da<strong>nach</strong> begab er sich hinter<br />

den Vorhang der kaiserlichen Andachtsloge und flüsterte dem Herrscher zu:<br />

»Herr, die Galeeren sind bereit für die Fahrt <strong>nach</strong> Zypern, um von dort<br />

Proviant zu holen. Ist es der Wille Eurer Hoheit, daß sie gleich in See<br />

stechen?«<br />

Der Kaiser antwortete:<br />

»Ich wollte, sie hätten schon hundert Meilen <strong>zur</strong>ückgelegt.«<br />

Sofort eilte Tirant zum Hafen, um den Befehl <strong>zur</strong> Abfahrt zu geben. Als die<br />

Prinzessin sah, daß Tirant von dannen ging, rief sie Diafebus zu sich und bat<br />

ihn dringlich, Tirant aus<strong>zur</strong>ichten, daß er gleich <strong>nach</strong> dem Mittagessen<br />

schleunigst zu ihr kommen solle; denn es verlange sie sehr da<strong>nach</strong>, mit ihm<br />

zu reden und da<strong>nach</strong> noch ein Weilchen zu tanzen.<br />

Als Tirant diese Botschaft erhielt, war ihm augenblicklich klar, worum es<br />

ging. Er ließ das schönste Spiegelchen kaufen, das in der Stadt zu finden war,<br />

und verstaute es in s<strong>einem</strong> Ärmel. Zur angegebenen Zeit dann machte sich<br />

der Bretone mit den Seinigen auf den<br />

448<br />

Weg zum Palast, wo sie den Kaiser im Gespräch mit seiner Tochter<br />

vorfanden. Kaum hatte dieser sie kommen sehen, da befahl er, man solle die<br />

Spielleute holen, und vor seinen Augen tanzte man eine geraume Weile.<br />

Nachdem er sich als Zuschauer ein bißchen an dieser Lustbarkeit ergötzt<br />

hatte, zog sich der Kaiser in sein Gemach <strong>zur</strong>ück. Und die Prinzessin hörte<br />

im selben Augenblick auf zu tanzen, faßte Tirant an der Hand und führte ihn<br />

zu <strong>einem</strong> Fenster, wo sie sich einander gegenübersetzten. Mit verhaltener<br />

Stimme begann sie in ihn zu dringen:<br />

»Tapferer Ritter, ich empfinde tiefes Mitleid, wenn ich sehe, wie aufgewühlt<br />

Ihr seid. Deshalb laßt mich bitte wissen, was es ist, das Euch so zusetzt; ob<br />

es etwas Schlimmes oder Gutes ist. Vielleicht ist es eine Last, von der ich<br />

Euch etwas abnehmen kann. Ist es aber etwas Gutes, das Euch so<br />

durcheinandergebracht hat, soll es mich freuen, und ich gebe mich damit<br />

zufrieden, daß das Glück es allein mit Euch so überwältigend gut gemeint<br />

hat.«<br />

»Herrin«, antwortete Tirant, »als schlimm erscheint mir ein Mißgeschick, das<br />

wie ein Unwetter bei heiterem Himmel heraufzieht; und noch schlimmer,<br />

wenn es mir mein Glück verhagelt. Die Last eines solch schlimmen Geschicks<br />

würde ich aber nicht mit Eurer Hoheit teilen; es wäre mir lieber, sie ganz<br />

allein zu tragen, statt irgendeinen anderen Menschen damit zu beschweren.<br />

Daher sollten wir nicht länger derlei trübsinnige Reden führen. Reden wir<br />

lieber über vergnügliche und lustige Dinge, Herrin. Lassen wir die<br />

Leidensgeschichten, die nur das Herz zermartern.«<br />

»Es gibt gewiß nichts«, sagte die Prinzessin, »kein Geheimnis, und wäre es mir<br />

noch so teuer, das ich Euch, wenn Ihr es wissen wolltet, nicht gerne sagen<br />

würde. Ihr hingegen wollt mir verschweigen, was Ihr habt. Darum bitte ich<br />

Euch aufs neue, seid so gut und sagt es mir. Ich flehe Euch an, im Namen<br />

dessen, was Euch das Liebste ist auf dieser Welt.«<br />

»Herrin«, sagte Tirant, »habt die Güte, ich bitte Euch, mich nicht derart zu<br />

beschwören. Ihr treibt mich auf diese Weise soweit, daß ich gar nicht anders<br />

kann, als Euch alles zu sagen, was ich weiß. Woran ich leide, Herrin, ist rasch<br />

gesagt; aber ich weiß genau, daß es ebenso rasch Eurem Vater zu Ohren<br />

kommt; und dies würde mei-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!