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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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den er mitgebracht hatte. Und sobald sie denselben in ihren Händen hielt, hob<br />

sie ihn himmelwärts, als wollte sie ein Opfer darbieten. Da<strong>nach</strong>, als der Brief<br />

gelesen war, unterhielten sich die beiden Damen ausführlich über den Inhalt,<br />

wobei Stephania sehr bedauerte, daß der Konnetabel bei den kommenden<br />

Festlichkeiten nicht anwesend sein würde; denn der Knappe verriet nichts von<br />

dessen zwar geplantem, aber doch recht ungewissem Kommen.<br />

Als der Tag des Festes gekommen war, näherte sich der Konnetabel der Stadt,<br />

in aller Heimlichkeit; und nur noch eine Meile von ihr entfernt, verweilte er bis<br />

zum nächsten Morgen. Stephania wollte keinesfalls an dem Spektakel<br />

teilnehmen, weil ja der nicht dabei war, den sie liebte. Doch die Prinzessin<br />

bedrängte sie sehr und sagte, wenn sie nicht hingehe, würde sie selbst auch<br />

nicht wollen, und das wäre dann eine üble Spielverderberei. Karmesina bat so<br />

dringlich, bis Stephania schließlich nicht mehr anders konnte und mitging.<br />

Nach dem Hochamt begab man sich in feierlichem Zug zum Marktplatz, den<br />

sie gänzlich verkleidet fanden, mit Sonnensegeln und Fußmatten aus weißer,<br />

grüner und violetter Wolle, und die Mauern verhüllt mit Atlasbahnen, die<br />

bestickt waren mit lauter französischen Figuren. Und rund um den besagten<br />

Platz waren Tische aufgestellt. Und der Baldachin des Kaisers prangte in<br />

gewaltiger Pracht, ringsum behängt mit Brokat. Der Herrscher nahm mitten<br />

an einer Tafel Platz, und die Gesandten setzten sich neben ihn. Am oberen<br />

Ende des Tisches saßen die Kaiserin und ihre Tochter. Der Großkaraman<br />

und der König des Unabhängigen Indien mußten jedoch drunten auf dem<br />

Boden speisen, weil sie Gefangene waren. Die Jungfrauen, Zofen sowie alle<br />

Damen der Ehrbarkeit wurden an einer Tafel <strong>zur</strong> Rechten untergebracht.<br />

Und sämtliche edlen Frauen Konstantinopels, die Lust hatten, an dem Mahl<br />

teilzunehmen, waren herzlich dazu eingeladen. Das Haupt der Damentafel<br />

aber war der Platz von Stephania; die anderen waren ihr <strong>nach</strong>geordnet. Alle<br />

Herzöge und großen Herren saßen <strong>zur</strong> Linken.<br />

Vierundzwanzig Prunkbüfetts waren aufgestellt worden, alle voller Gold und<br />

Silber. Im ersten Büfett waren sämtliche Reliquien der Stadt <strong>zur</strong> Schau<br />

gestellt; im zweiten alles Gold der Kirchen. Des wei-<br />

teren waren da zehn Schaugestelle, die von unten bis oben gefüllt waren mit<br />

großen Körben aus Weidenruten und Palmblattgeflecht, in denen der ganze<br />

Schatz des Kaisers gesammelt war: lauter Münzen aus barem Gold. Dann<br />

kamen die goldenen Pokale, all die Teller und Salzstreuer; darauf folgte die<br />

Kunst der Silberschmiede: Kannen, Krüge und vergoldete Salzfäßchen. Alles<br />

Silbergeschirr wurde zum Gebrauch an der Tafel herbeigetragen.<br />

Voll solcher Kostbarkeiten waren so die vierundzwanzig Prunkbüfetts. Unter<br />

denselben sah man in großen Becken den ganzen Vorrat an Silbergeld. Je drei<br />

Ritter hielten bei jedem der Schaugerüste Wache, in bodenlangen<br />

Brokatgewändern, deren Schleppen auf der Erde schleiften, und jeder dieser<br />

Wächter hatte ein silbernes Zepter in der Hand. Groß war der Reichtum, den<br />

der Kaiser an diesem Tag <strong>zur</strong> Schau stellte.<br />

In der Mitte des Marktplatzes, zwischen den Tischen, an denen getafelt<br />

wurde, war eine Turnierbahn abgesteckt worden. Platzhalter waren diesmal<br />

der Kapitan und der Herzog von Pera sowie der Herzog von Sinopoli. Und<br />

während der Kaiser speiste, tjostierten die genannten Herren. Als erster ritt<br />

der Herzog von Pera in die Schranken. Sein Pferd war geschmückt mit einer<br />

Schabracke aus Brokat, ganz in Blau, von Goldfäden durchschimmert. Der<br />

Herzog von Sinopoli hatte das seinige mit Brokat geziert, der halb grün, halb<br />

aschgrau gewoben war. Das Roß Tirants trug eine Prunkdecke aus grünem<br />

Samt, ganz übersät mit angehängten Dukaten, die so groß waren, daß jedes<br />

dieser Goldstücke den dreißigfachen Wert eines gewöhnlichen Dukaten<br />

hatte. Eine Schabracke dieser Art galt deshalb als ganz besondere<br />

Kostbarkeit.<br />

Irgendwann, ein paar Tage zuvor, hatte Tirant, als er <strong>zur</strong> Kemenatentür der<br />

Prinzessin kam, Wonnemeineslebens getroffen; und er fragte sie, was die<br />

Prinzessin mache.<br />

»Heilige Einfalt«, antwortete sie, »wozu wollt Ihr wissen, was meine Herrin<br />

tut? Wärt Ihr etwas zeitiger erschienen, dann hättet Ihr sie im Bett<br />

angetroffen. Und wenn Ihr sie so erblickt hättet, wie ich sie gesehen habe,<br />

befände sich Eure Seele jetzt im Reich der immer-währenden Seligkeit. Denn<br />

je mehr man das sieht, was man liebt, desto größer die Lust. Und deshalb<br />

glaube ich, daß das Schauen viel<br />

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