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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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len, die sie durchlitten hatte, bewirkte, daß Wonnemeinslebens Mitleid mit sich<br />

selbst bekam. Tränen quollen aus ihren Augen, und <strong>nach</strong> einer kleinen Weile,<br />

während sie sich die Tränen abwischte, fing sie an zu erzählen.<br />

KAPITEL CC CLXXIII<br />

Wie Wonnemeineslebens Tirant ihr wechselvolles Schicksal schilderte<br />

ch finde keine angemessenen Worte, keine Sprache, in der ich<br />

hinreichend ausdrücken könnte, welche Qualen, welche Zweifel<br />

und Ängste auf mein erschöpftes Gehirn einstürmten, als ich mich,<br />

nackt auf dem Strand liegend, am Rand des grauenhaften,<br />

gnadenlos tobenden Meeres wiederfand, zusammengekrampft,<br />

schlotternd vor unerträglicher Kälte und entkräftet von der Anstrengung, die<br />

ich durchhalten mußte, um von der Galeere bis an Land zu kommen, wo ich<br />

völlig verstört liegen blieb, in meiner Verwirrung jedoch keinen Moment<br />

vergaß, unablässig jene allerheiligste und erbarmungsreiche Muttergottes<br />

an<strong>zur</strong>ufen, die niemals irgendwen im Stich läßt, der inniglich ihre Hilfe erfleht.<br />

So schmerzlich verdüstert war damals mein Gemüt, daß ich dachte, meine<br />

trübselige Bestattung würde darin bestehen, daß Geier, Kolkraben und andere<br />

Raubvögel mein armes Fleisch als Fraß bekämen; und wenn nicht die finstere<br />

Nacht, diese Schutzdecke für Frauen und Jungfrauen, mir einen Unterschlupf<br />

geboten hätte – zwiefach schlimm wäre meine Pein geworden.<br />

Und wie ich nun so niedergeschlagen dalag, mir keinen Rat wußte, schaute ich<br />

<strong>nach</strong> allen Seiten, um zu sehen, ob sich nicht irgendwo ein Platz finden ließe,<br />

wo ich mich, meiner Sittsamkeit wegen, verkriechen könnte. Und zum Glück<br />

gewahrte ich, obwohl die Nacht sehr dunkel war, ein Boot, das mir den<br />

Eindruck machte, als würde es dem Fischfang dienen. Als ich hineinkletterte in<br />

dieses Boot, fand ich zwei Hammelfelle, die ich mittels einer Schnur so<br />

miteinander verknüpfte, daß ich sie mir überziehen konnte, wie ein<br />

Obergewand,<br />

200<br />

das die tödliche Kälte, die ich empfand, beträchtlich milderte. Und so<br />

verbrachte ich einen Großteil der Nacht, ohne zu schlafen, jammernd über<br />

mein großes Unglück.<br />

Ich flehe Euch an, Herr Tirant, drängt mich nicht mehr dazu, von solch<br />

schrecklichen Dingen zu reden; denn wenn mir all das wieder zu Bewußtsein<br />

kommt, was ich Euretwegen durchgemacht habe, wäre es mir hundertmal<br />

lieber, ich könnte sterben, als so weiterzuleben. Und begreift, daß die Wut<br />

alles verrohen läßt, die Liebe zum Mitgefühl bewegt und Geduld den Zorn<br />

<strong>zur</strong> Mäßigung bringt. Aber es ist besser, wenn ich schweige; denn die<br />

Erinnerung an üble Stunden der Vergangenheit ist kein Vergnügen. Kein<br />

Zweifel, daß Leib und Seele davon belastet werden.«<br />

Als Tirant sie so bedrückt reden hörte, tat es ihm sehr leid; er brach das<br />

Thema ab und bemühte sich sehr liebevoll, das Gespräch auf andere,<br />

erfreulichere Gegenstände zu lenken, weil er tiefes Mitleid mit ihr empfand<br />

und weil ihm klargeworden war, daß die Leiden und Drangsale, die sie erlebt<br />

hatte, seinetwegen über sie gekommen waren. Und <strong>nach</strong>dem er sie ein wenig<br />

getröstet hatte, gab er ihr das Folgende zu bedenken.<br />

KAPITEL CCCLXXIV<br />

Überlegungen, mit denen Tirant Wonnemeineslebens zu ermutigen suchte<br />

enn die widrige Fortuna erbarmungslos d<strong>einem</strong> Denken zusetzt,<br />

es peinigenden Ängsten ausliefert; wenn schlimme, unerwartete<br />

Schicksalswendungen mit Wucht zum Sturmangriff auf die Ruhe<br />

geordneter menschlicher Verhältnisse ansetzen, ließe sich solch<br />

ein Ansturm durch harte Gegenwehr ohne weiteres<br />

<strong>zur</strong>ückwerfen, wenn menschliche Weisheit imstand wäre, mit Wachheit<br />

solche Attacken von vornherein zu gewärtigen. Die Tugendstärke eines<br />

mannhaften Gemüts ist darauf bedacht, die bittere Unruhe zu beenden,<br />

indem es hofft, das

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