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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Nach der Eroberung auch der letzten Widerstandsnester im angestammten<br />

Reich des Königs Escariano waren seine ehemaligen Verbündeten also wild<br />

entschlossen, ihm weiterhin <strong>nach</strong>zusetzen. Angesichts dieser Lage meinte<br />

Tirant:<br />

»Herr, das Lager drüben ist in Aufruhr. Morgen um diese Zeit werden wir sie<br />

hier haben. Es wäre gut, wenn Eure Hoheit mit der Hälfte unserer Leute hier<br />

in dem Bergstädtchen bliebe; und ich will mich mit der anderen Hälfte auf<br />

den Weg machen, um zu erkunden, in welcher Ordnung diese Haufen<br />

aufmarschieren. Wenn sie ungeordnet anrücken, haben sie verspielt. Das<br />

versichere ich Euch.«<br />

»Oh, Bruder Tirant! Viel lieber wäre es mir, mit dir zusammen loszuziehen,<br />

statt hier eingesperrt in der Stadt zu hocken. Lassen wir doch den Herrn von<br />

Agramunt als Kommandanten hier, und gib du ihm Anweisung, was er zu<br />

tun hat. Ich will immer in deiner Nähe sein, will an deiner Seite leben oder<br />

sterben.«<br />

Tirant, der erkannte, wie ernst es der König meinte, sagte, er sei damit<br />

einverstanden, und ernannte den Herrn von Agramunt zum Befehlshaber,<br />

indem er ihm gebot:<br />

»Seid stets gerüstet und laßt die Pferde gesattelt. Und wenn Ihr auf dem<br />

Hügel dort, dicht beim Flußufer, eine rote Fahne mit m<strong>einem</strong> Wappen seht,<br />

dann greift auf der rechten Flanke mit all Euren Mannen an; denn die Feinde<br />

werden nahe am Wasser kampieren, und der Fluß ist tief, und da werden wir<br />

sie vernichtend schlagen können. Aber verlaßt die Stadt unter keinen<br />

Umständen, bevor Ihr die Fahne seht.«<br />

Die Muslime mußten, um von da, wo sie waren, <strong>nach</strong> dort zu kommen, wo<br />

die Christen sich befanden, einen hohen Berg überqueren, an dessen Hängen<br />

viele Quellen entsprangen. Tirant streifte bei Nacht und bei Tag rings um<br />

diesen Berg, bis er schließlich, noch weit entfernt, die ganze Maurenmenge<br />

anrücken sah. So vorsichtig wie möglich zog er sich in ein Waldstück mit<br />

dichtem Baumwuchs <strong>zur</strong>ück und befahl seinen Mannen, abzusitzen und sich<br />

zu erfrischen. Er selbst aber bestieg eine hohe Pinie, um Ausschau zu halten.<br />

Er beobachtete, wie die Feinde den Berg erklommen, und sah, daß sie im<br />

Quellbereich ihre Zelte aufschlugen. Die ganzen Stunden vom Morgen bis<br />

zum Abend hatten sie gebraucht, um zwei Meilen vor-<br />

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anzukommen. Und von da, wo sie kampierten, bis zu der Stadt war es nur<br />

noch eine Meile ebenen Weges. Die <strong>nach</strong>rückenden Mauren sahen, daß die<br />

Vorhut oben am Berg ihr Lager aufgeschlagen hatte. Sie beschlossen, sich<br />

unten niederzulassen, am Fuß des Berges, wo es wunderschöne Wiesen und<br />

einen Bewässerungsgraben gab. Es mochten an die vierzigtausend Rosse sein,<br />

die zu dieser Truppe gehörten; aber weitere Kräfte waren ja ganz in der Nähe.<br />

Und als Tirant sah, daß fast die Hälfte der feindlichen Reiter abgesessen war,<br />

stürmte er los, gemeinsam mit dem König, mitten hinein in das Biwak<br />

drunten. Und sie richteten unter der Maurenmenge ein derartiges Blutbad an,<br />

daß es schier unglaublich schien, wie viele Leiber tot zu Boden gestreckt<br />

wurden. Und das Unheil, das sie über die Feinde brachten, wäre noch viel<br />

schlimmer ausgefallen, wenn nicht die sternfunkelnde Nacht den Himmel<br />

überzogen hätte, so daß die Dunkelheit es dem Rest der Überfallenen<br />

erlaubte, sich zu retten; andernfalls wären alle zu Tode gekommen. Und ihre<br />

Kameraden, die droben am Berg sich gelagert hatten, hörten zwar das<br />

Geschrei, kamen aber nicht auf den Gedanken, daß die Christen so kühn sein<br />

könnten, sich ihrem Lager derart zu nähern.<br />

Am nächsten Morgen, als die Sonne aufgegangen war, ritt König Menador den<br />

Berghang hinunter, ohne zu vermuten, daß er da drunten König Escariano<br />

oder Tirant antreffen könnte. Er dachte vielmehr, daß sich da ein paar<br />

streunende Späher als Strauchdiebe betätigt hätten. Denen schickte er einen<br />

Herold entgegen, der die Aufforderung hinausposaunte, sie sollten schleunigst<br />

sich stellen und wieder Muslime werden, sonst würde er, gemäß dem Gelübde,<br />

das er s<strong>einem</strong> Mohammed geleistet habe, einen jeden, den er zu fassen<br />

bekäme, aufhängen lassen. Auf diesen Heroldsruf antwortete Tirant:<br />

»Sag d<strong>einem</strong> Herrn, daß ich nicht die Absicht habe, auf seine Narrheit<br />

einzugehen. Aber wenn er ein gekrönter König ist und den Mut hat, mit<br />

s<strong>einem</strong> Kriegsvolk herabzukommen auf dieses ebene Gefild, werde ich ihn<br />

fühlen lassen, wen er zu erhängen gedenkt, und werde ihm Gelegenheit geben,<br />

den Leidenskelch auszutrinken, mitten in seinen besten Mannesjahren.«<br />

Der Herold kehrte mit dieser Antwort zu s<strong>einem</strong> Herrn <strong>zur</strong>ück, der<br />

zornentbrannt s<strong>einem</strong> Pferd die Sporen in die Flanken hieb und, ge-

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