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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Kaum hatte der Eremit dies ausgesprochen, da näherte sich Tirant in tiefer<br />

Demut dem Vater Einsiedel und sagte, auf der Erde kniend: »Ihr wäret weit<br />

größerer Ehren würdig, Herr; aber wenn es Eurer Hoheit beliebt, einen<br />

kleinen abendlichen Imbiß anzunehmen von den hier versammelten Herren,<br />

die meine Brüder sind, so würden Euer Gnaden uns allen, ihnen und mir,<br />

damit eine Huld erweisen.«<br />

Der tugendhafte Herr, wohlvertraut mit allen Geboten der Höflichkeit, erhob<br />

sich und sagte mit überaus freundlicher Miene: »Obwohl es sich für einen<br />

Mann meines Standes nicht schickt, ein solches Angebot anzunehmen, will<br />

ich es doch tun, zum Zeichen meiner Achtung und aus Liebe zu Euch.«<br />

Und alle miteinander gingen hinüber zu der klaren Quelle, wo sie viele<br />

gedeckte Tische antrafen. Sie setzten sich, und <strong>nach</strong>dem der Vater Einsiedel<br />

den Segen gesprochen hatte, wurden vielerlei Gerichte von erlesener<br />

Köstlichkeit aufgetragen, und in solchem Überfluß, daß man hätte meinen<br />

können, sie befänden sich in einer großen Stadt; denn Tirant hatte weislich<br />

vorgesorgt.<br />

Höchst vergnügt verbrachten sie jene Nacht im Gespräch über viele<br />

ritterliche Taten, die bei den ehrbaren Festlichkeiten vollbracht worden<br />

waren, und für die, wenn man sie alle wiedergeben sollte, zweihundertfünfzig<br />

Bogen Papier nicht ausreichen würden.<br />

Am folgenden Tag aber, als der Einsiedler aus seiner Klause herunterkam,<br />

<strong>nach</strong>dem er zuvor sein Stundengebet gesprochen hatte, gingen Tirant und<br />

die anderen ihm entgegen, und alle begrüßten ihn mit großer Ehrerbietung,<br />

indem sie vor ihm niederknieten. Und er dankte ihnen höchst liebenswürdig<br />

für die Wertschätzung, die alle ihm bezeugten.<br />

Dann ließen sie sich auf der grünen, blühenden Wiese nieder› wie es ihnen<br />

bereits <strong>zur</strong> Gewohnheit geworden war. Und der Einsiedler bat sie herzlich,<br />

ihn doch wissen zu lassen, wie es <strong>zur</strong> Gründung jener Bruderschaft<br />

gekommen sei, die sein Herr, der König, vor kurzem ins Leben gerufen<br />

habe. Unter den Rittern gab es nun ein längeres Hin und Her gegenseitiger<br />

Höflichkeiten wegen der Frage, wer von ihnen erzählen sollte, und alle<br />

stimmten letztlich einmütig dafür, daß Tirant es tun sollte. Doch der wollte<br />

nicht reden, bat viel-<br />

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mehr Diafebus, er möge, <strong>nach</strong>dem er schon den Anfang geschildert habe,<br />

nun auch das Ende der Geschichte erzählen. Dann erhob sich Tirant, um die<br />

Dinge herbeiholen zu lassen, die sie als Geschenke für den Vater Einsiedel<br />

mitgebracht hatten. Der tüchtige Diafebus nahm sein Barett vom Kopf und<br />

hob an, das Folgende zu berichten.<br />

KAPITEL LXXXV<br />

Wie die Bruderschaft<br />

des ritterlichen Hosenbandordens<br />

gegründet wurde<br />

chon war die Frist von <strong>einem</strong> Jahr und <strong>einem</strong> Tag verstrichen,<br />

und alle Feste waren bereits gefeiert, als Seine Majestät der Herr<br />

König sämtlichen Ständen die Bitte über-<br />

mitteln ließ, sie möchten noch ein paar Tage warten, da<br />

er eine Bruderschaft bekanntzumachen gedenke, die Seine Hoheit<br />

soeben gegründet habe› einen Orden, dem sechsundzwanzig untadelige Ritter<br />

angehören sollten. Und mit Vergnügen schoben alle<br />

ihre Abreise auf, um noch ein bißchen zu verweilen. Ursache und<br />

Anlaß dieser Ordensgründung, Herr› war folgende Geschichte› die<br />

sich tatsächlich zugetragen hat, wie ich und diese Ritter hier bezeugen<br />

können; denn wir haben sie aus des Königs eigenem Munde<br />

gehört. An <strong>einem</strong> Feiertag, da viel getanzt wurde› ruhte sich der<br />

König, <strong>nach</strong>dem er selbst getanzt hatte, am einen Ende des Saales<br />

aus, während die Königin mit ihren Zofen am anderen Ende rastete<br />

und in der Mitte die Ritter mit ihren Damen sich unermüdlich im<br />

Kreise tummelten. Da fügte es der Zufall, daß ein Mädchen, das mit<br />

<strong>einem</strong> Ritter tanzte, bis in jene Ecke wirbelte, wo der König weilte,<br />

und bei einer Drehung, welche die Jungfrau machte, verlor sie ein<br />

Strumpfband, das <strong>nach</strong> Meinung aller von ihrem linken Bein stammen mußte<br />

und aus einer bunt gewebten Borte bestand. Die Ritter,<br />

die sich in der Nähe des Königs befanden, sahen das auf den Boden<br />

gefallene Strumpfband. Das Mädchen, dem dieses Mißgeschick

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