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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Nähe einer Stadt, die Montàgata hieß. Sie gehörte der Tochter des Königs von<br />

Belamerín – der gleich zu Beginn des Krieges ums Leben gekommen war –<br />

und dem Verlobten jenes Königskindes. Wie nun die Einwohner dieser Stadt<br />

begriffen, daß die Christen ihnen so nahe gerückt waren, hielten sie Rat, und<br />

dabei kamen sie zu dem Entschluß, dem Herrn von Agramunt durch einige<br />

Abgesandte die Schlüssel der Stadt übergeben zu lassen. Derselbe nahm sie<br />

sehr huldvoll entgegen und gewährte alles, was die Emissäre erbaten. Doch als<br />

die Christen dann dicht vor der Ringmauer waren, bereuten die Verwalter der<br />

Stadt ihre Fügsamkeit und beschlossen, lieber zu sterben, als sich zu ergeben.<br />

Der Herr von Agramunt, der sich übel geprellt sah, ließ die ganze Stadt<br />

umzingeln und begann die Belagerung. Eines Tages beschloß er, zum Angriff<br />

überzugehen; und der Kampf, der da entbrannte, war so heftig, so hart, wie er<br />

schlimmer gar nicht sein konnte. Und als nun der Herr von Agramunt bis<br />

dicht an die Mauer vorgedrungen war, zielte man mit einer Armbrust auf ihn<br />

und schoß ihm in den Mund, so daß der Bolzen auf der anderen Seite zum<br />

Vorschein kam. Als seine Leute ihn so scheußlich verwundet am Boden liegen<br />

sahen, dachten alle, er sei getötet worden. Sie legten ihn auf einen Langschild,<br />

trugen ihn zu s<strong>einem</strong> Zelt und unterließen es, an diesem Tag noch einmal den<br />

Kampf aufzunehmen. Der Herr von Agramunt aber schwur einen Eid, womit<br />

er Gott und den heiligen Aposteln gelobte, daß er wegen der Täuschung, die<br />

man ihm angetan, und wegen der furchtbaren Schmerzen, welche die<br />

Verwundung ihm bescherte, niemals sich von diesem Ort entfernen werde,<br />

bevor die Stadt genommen sei und er gesehen habe, wie alle, Männer und<br />

Frauen, Hohe und Niedrige, Alte und Junge, unter sein Richtschwert<br />

gekommen seien. Und alsbald schickte er einen Meldereiter zu Tirant mit dem<br />

Ersuchen, er möge ihm so schnell wie möglich die schwersten Geschütze<br />

zukommen lassen, über die er verfüge.<br />

Kaum hatte Tirant die Nachricht vernommen, daß sein Vetter derart übel<br />

verwundet worden sei, da ließ er seine gesamte Artillerie in Bewegung setzen.<br />

Er selbst zog mit all seinen Streitern los, und <strong>nach</strong> einigen Tagesmärschen<br />

gelangte er zu jener Stadt. Ohne absitzen zu lassen, befahl er, sofort zu<br />

attackieren; und der Ansturm erfolgte mit<br />

152<br />

so grimmiger Wucht, daß die Christen es vermochten, einen hohen Turm zu<br />

besetzen, das Minarett einer Moschee, die unmittelbar neben der Stadtmauer<br />

stand. Die Dunkelheit brach herein, und Tirant wies seine Mannen an, in<br />

dieser Nacht nichts weiter zu unternehmen. Am Morgen dann sandten die<br />

Muslime eine Abordnung zu Tirant, die aus den ehrbarsten Männern der<br />

Stadt bestand und den Auftrag hatte, im Namen der Fürstin und der<br />

gesamten Einwohnerschaft dem Kapitan mitzuteilen, daß sie bereit seien,<br />

sich zu ergeben, unter der Bedingung, daß es ihnen gestattet sei, weiterhin<br />

<strong>nach</strong> den Gesetzen ihres Glaubens zu leben, wofür sie ihm jährlich einen Tribut<br />

von dreißigtausend Kronen aus purem Gold entrichten würden und<br />

augenblicklich alle Gefangenen, die sich in ihrem Gewahrsam befänden,<br />

ausliefern wollten. Tirant erwiderte jedoch, daß sie wegen des Vergehens, das<br />

sie gegen seinen Vetter begangen hätten, sich an diesen wenden müßten, und<br />

was dieser befinde, betrachte er als verbindlich.<br />

Als nun die Mauren dem Herrn von Agramunt ihr Angebot vortrugen, war<br />

dieser, so viel sie auch bitten und flehen mochten, mitnichten bereit, auch<br />

nur eine Spur von Einverständnis erkennen zu lassen. Daraufhin beschloß<br />

die Bürgerschaft, die Herrin der Stadt mit <strong>einem</strong> Gefolge von vielen<br />

Jungfrauen zu ihm zu schicken, um zu sehen, ob sie vielleicht bei ihm etwas<br />

zu erreichen vermöchten; denn den Bitten junger Damen wird ja oftmals<br />

stattgegeben.<br />

Hier macht das Buch* eine Zäsur, um zunächst zu erzählen; was<br />

Wonnemeineslebens in der Zwischenzeit erlebt hatte.<br />

* Daß hier vom »Buch« die Rede ist, läßt deutlich die Distanz zwischen der<br />

Erzählung Martorells und dem unbekannten Bearbeiter erkennen, der das<br />

Originalmanuskript für die Drucklegung redigierte. Dieser Geburtshelfer ist<br />

wohl auch der Verfasser der Kapitelüberschriften sowie der dazugehörigen<br />

Überleitungen und Anschlüsse gewesen.

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