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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Ihre Majestät eine Aufgabe wisse, die er in ihrem Auftrag erfüllen könne. Die<br />

Prinzessin hob den Schleier, der ihr Gesicht verhüllte; und ihre Augen füllten<br />

sich mit Tränen, die in unaufhaltsamen Strömen über die Wangen rannen.<br />

Sie brachte fast kein Wort hervor.<br />

»Ich hätte gern ...«, stammelte sie; dann versagte ihr die Stimme, und nur<br />

Schluchzer kamen noch aus ihrer Kehle, ausklingend in ein Seufzen tiefen<br />

Abschiedskummers. Sie verbarg ihre Miene hinter dem Schleier, den sie bis<br />

<strong>zur</strong> Brust herabfallen ließ, damit der Kaiser und all die anderen Leute nichts<br />

von ihrer Schwäche bemerkten.<br />

Seit Menschengedenken ist wohl k<strong>einem</strong> Ritter das widerfahren, was in<br />

diesem Augenblick mit Tirant geschah: Kaum hatte er der Prinzessin<br />

Lebewohl gesagt, da stürzte er von dem stattlichen Streitroß, das er ritt,<br />

bewußtlos zu Boden, völlig seiner Sinne beraubt. Und so jäh er gestürzt war,<br />

so rasch stand er wieder auf, hob einen Huf des Pferdes und sagte, das Tier<br />

habe sich verletzt. Der Kaiser und viele andere Mannen hatten den Unfall<br />

bemerkt und eilten herzu. Tirant aber tat so, als prüfte er den Pferdehuf.<br />

Der Kaiser fragte ihn:<br />

»Kapitan, wie kam’s zu diesem Sturz?«<br />

Und Tirant antwortete:<br />

»Herr, mir scheint, daß mein Klepper sich verletzt hat. Ich beugte mich ein<br />

bißchen hinunter, um zu sehen, was er hat, und wegen des Gewichts, das<br />

mein Harnisch hat, ist der Steigriemen gerissen. Aber, Herr, es ist ja nicht<br />

weiter verwunderlich, daß ein Mensch gelegentlich stürzt; denn selbst ein<br />

Pferd, das vier Beine hat, kommt manchmal zu Fall. Wieviel leichter kann<br />

das also <strong>einem</strong> Menschen passieren, der nur zweie hat.«<br />

Hurtig schwang er sich in den Sattel, und ein jeder ritt seines Weges. Die<br />

Prinzessin hatte nicht umkehren wollen, da sie weinend davonzog; doch sie<br />

fragte Stephania, was denn mit Tirant gewesen sei. Und diese berichtete es<br />

ihr, gemäß der Auskunft, die der Bretone dem Kaiser gegeben hatte.<br />

»Sicherlich«, sagte die Prinzessin, »ist ihm das nur wegen meiner Abreise<br />

zugestoßen. Die Ängste, die mich überkamen, als ich mich plötzlich<br />

verlassen fühlte, waren so furchtbar, daß auch ich vor Schmerz die<br />

Besinnung verloren habe.«<br />

680<br />

Solche Worte tauschend, ritten die beiden Damen von dannen, während<br />

Tirant sich sputete, <strong>zur</strong> Burg des Grimmigen Nachbarn <strong>zur</strong>ückzukehren.<br />

Dort befahl er dem Konnetabel, mit der Hälfte der Truppen, sowohl der<br />

Reiterscharen wie des Fußvolks, das Feldlager aufzusuchen, um dieses<br />

abzuschirmen.<br />

»Ich werde derweil«, erklärte Tirant, »zu dem Hafen reiten, in dem die<br />

Schiffe liegen, und will dafür sorgen, daß sie rasch entladen werden. Falls ich<br />

sehe, daß der Vorrat nicht reicht, werde ich sie <strong>zur</strong> Hauptstadt<br />

<strong>zur</strong>ückschicken oder <strong>nach</strong> Rhodos; denn man hat mir gesagt, heuer sei die<br />

Weizenernte recht üppig ausgefallen. Wenn sie aber die nötige Ladung nicht<br />

zusammenbekommen, sollen sie <strong>nach</strong> Zypern segeln.«<br />

In der Nacht gelangte Tirant zum Hafen und stellte fest, daß die Schiffe<br />

schon beinahe entladen waren. Die Kapitäne und Matrosen empfingen den<br />

Generalkapitan mit großem Jubel, und sie meldeten ihm, daß die sieben<br />

Schiffe der Genuesen im Hafen von Bellpuig vor Anker gegangen seien.<br />

»Und wir alle machten uns große Sorgen, ob sie nicht hierher steuern und<br />

uns kapern würden.«<br />

Tirant antwortete: »Sie haben also gezeigt, daß ihre Furcht vor euch noch<br />

größer ist als eure Besorgnis; denn sie haben es offensichtlich nicht gewagt,<br />

euch anzugreifen. Wollt ihr, daß wir ihnen noch mehr Angst einjagen, als sie<br />

jetzt schon haben?«<br />

Ein Fischerboot, das vorhanden war, wurde bemannt und <strong>zur</strong> Erkundung<br />

ausgesandt. Die Späher sollten ausfindig machen, aus wieviel Mannen die<br />

Besatzung der feindlichen Schiffe ungefähr bestehen mochte und was<br />

überhaupt an Fahrzeugen dort versammelt sei. Noch in derselben Nacht<br />

wurde auf Geheiß Tirants die restliche Getreideladung vollends gelöscht. Am<br />

Morgen dann kehrte die Brigg <strong>zur</strong>ück mit der Nachricht, drüben lägen sieben<br />

große Schiffe vor Anker, sämtliche Pferde seien schon von Bord gebracht<br />

worden, alle Mannschaften befänden sich an Land, und eben erst gehe man<br />

dort daran, das Getreide und den sonstigen Proviant auszuladen.<br />

»Bei dem Herrn, der die ganze Welt in seinen Händen hält«, rief Tirant, »da<br />

die Pferde schon ausgebootet sind, will ich alles daransetzen, daß wir uns an<br />

deren Futter gütlich tun!«

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