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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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KAPITEL CLXXI<br />

Was Tirant der Prinzessin antwortete<br />

ie widrige Fortuna«, sagte Tirant, »hat den Türken neue Kräfte<br />

zugeschanzt, nur um mich von dem zu trennen, was das Beste, das<br />

Schönste ist, das ich derzeit hier haben kann; nur um Euren Anblick<br />

mir zu entziehen, das einzige, was meine ruhlose Qual ein wenig<br />

lindert. Und was anderen Gewinn bringt, wird für mich ein<br />

furchtbarer Verlust sein, wenn ich allein mein Leid zu ertragen habe; denn für<br />

Menschen, die Drangsal erleiden, ist es ein großer Trost, wenn sie ihren<br />

Kummer mit jemandem teilen können. Doch wenn man das, wozu man weniger<br />

verpflichtet ist, tut, so muß man wohl das, wozu man mehr<br />

verpflichtet ist, erst recht tun. Ich weiß allerdings nicht, wie ich es lernen<br />

könnte, die Trübsal auszuhalten, mit der diese Trennung meine Liebe bedroht.<br />

Was könnte meiner Genesung schädlicher sein als der Abschied von Eurer<br />

Hoheit? Von jeher habe ich gehört, Kämpfen sei der Gesundheit abträglich,<br />

Singen und Musizieren aber erquicklich. Ein gewisser Ausgleich müßte daher<br />

erlaubt sein. Ihr, werte Herrin, solltet für Eure Feinde Todesfallen ersinnen,<br />

nicht für den, der sich da<strong>nach</strong> sehnt, Euch dienen zu dürfen. Ich bin gefangen<br />

und unterworfen, doch ein Gefangener sollte nicht über seine Herrin klagen<br />

müssen. Es geht hier nicht um die hochgeschätzten Ritter von ehedem noch um<br />

die von heut. Sie alle haben verspielt, aber <strong>einem</strong> wollen wir die Entschädigung<br />

gönnen, den Ausgleich für die Leiden aller. Und wer ist das wohl, der würdig<br />

wäre, soviel Gutes zu er- leben? Ich bin’s, jener Tirant, der es verdient hat, die<br />

Vorzüge der allerdurchlauchtigsten Karmesina zu berühren und zu besitzen.<br />

Und wenn Ihr mich fragt, woher ich das weiß, sage ich: Es ist so, weil ich<br />

es so will. Aber wenn dies Eure Hoheit verärgert, so zwingt Ihr den, der von<br />

Euch dazu verurteilt wird, ohne Euch zu leben, um Euretwillen zu sterben. Mir<br />

ist, als ob meinen Knochen alle Kraft entwiche. Nur die Hoffnung meines<br />

Herzens hält mich noch am Leben. Wenn sie mich im Stich läßt, kann ich<br />

meinen Brüdern nicht zu Hilfe eilen. Was ich da sage, kommt allein aus Liebe,<br />

denn ich habe bisher nur Leid erlebt und leide noch immer; und darum sage ich,<br />

daß mir das<br />

Bleiben lieber ist als das Scheiden; weil ich tagtäglich Eure Hoheit sehen<br />

möchte. Bleibe ich, ist das löblich; gehe ich aber weg, verdiene ich Tadel.«<br />

Ohne zu zögern, erwiderte hierauf die Prinzessin mit den folgenden Worten.<br />

KAPITEL CLXXII<br />

Die Erwiderung der Prinzessin<br />

auf die Äußerungen Tirants<br />

ch bin sicher, daß Ihr in Gegenwart der Fürsten und edlen Ritter,<br />

die Ehrgefühl haben, solchen Widerstreit der Gefühle nicht<br />

austragen lassen wolltet, wie er an den Tag kommt, wenn man von<br />

Liebe und Herzeleid redet; denn solch widersprüchliche Worte<br />

passen nicht in den Mund eines Ritters. Bedenkt immer, solange<br />

Ihr lebt, daß Wortgaukelei, ungerade Rede, die nicht in der Tat sich bewährt,<br />

den Ruf eines Mannes ruiniert. Und ich weiß ganz genau, daß Ihr selbst nicht<br />

zu den Leuten gehört, denen man Senf als Petersilie servieren kann. Warum<br />

wollt Ihr, daß Euer Sinnen und Trachten sich derart auf mich versteift?<br />

Alleweil habe ich sagen hören, daß Ehre und Lust nicht in ein und dasselbe<br />

Kästchen passen. Weshalb solltet Ihr den glorreichen Glanz Eurer Ehre aufs<br />

Spiel setzen! Macht es lieber so wie einst der berühmte Alexander. Nachdem er<br />

die Schlacht gewonnen hatte und Darius getötet war, besetzte er die Stadt, in<br />

der sich dessen Gemahlin befand, samt den drei Töchtern, Jungfrauen von<br />

einer Schönheit, Klugheit und Geistesbildung, wie sie feiner und liebreizender<br />

auf der ganzen Welt nicht zu finden gewesen wären; denn Gott hatte sie reicher<br />

begabt als alle anderen Mädchen. Da die Frau und die Töchter nun erfuhren,<br />

daß Darius nicht mehr am Leben war, fielen sie vor dem Hauptmann, der als<br />

erster in die Residenz eindrang, auf die Knie und flehten ihn an, er solle sie<br />

noch nicht töten, nicht ehe der Leichnam des Darius sein Grab<br />

bekommen habe. Der Offizier tröstete sie und richtete sie auf mit viel<br />

guten Worten; denn er sah, daß sie über alle Maßen schön waren. Und<br />

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