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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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KAPITEL CCXI<br />

Die Antwort der Prinzessin auf die Klagen Tirants<br />

h, was für ein Schwachsinn! Mit den Gaben der Natur, die du<br />

unfreiwillig besitzt, willst du den Ruf der Tugendstärke erlangen,<br />

den man doch nur durch eine Vielzahl schwer zu vollbringender<br />

Taten erwerben kann? Vertraust du auf deine Hand und deine<br />

körperliche Kraft, wenn du dich erdreistest, in m<strong>einem</strong> Gemach, in<br />

Gegenwart so vieler Frauen und Jungfrauen, die Belohnung zu fordern, die<br />

du zu verdienen glaubst? Merk dir’s: So ausdauernd, wie du imstand bist, mit<br />

deiner üblen Zunge daher<strong>zur</strong>eden, so ausdauernd bin ich imstand, mit<br />

meinen Ohren in Geduld das anzuhören, was du sagst – deine Behauptung,<br />

ich hätte dir ein Versprechen gegeben, dessen Erfüllung du nun als<br />

moralische Pflichtleistung <strong>zur</strong> Rettung von Treu und Glauben mir anzudrehen<br />

versuchst.«<br />

Gerade als sie ihm diese Sätze entgegenschleuderte, betrat der Kaiser den<br />

Raum und sah die Runde derer, die da redend und lauschend<br />

beieinanderstanden. Er fragte, worüber sie sich unterhielten, und die<br />

Prinzessin gab ihm <strong>zur</strong> Antwort:<br />

»Herr, weil der Kapitan es so vorzüglich versteht, den Leuten eine Predigt zu<br />

halten, haben wir ihn gefragt, was für ein Ding der Glaube sei. Und er hat es<br />

uns eben erläutert.«<br />

Bevor der Kaiser ein Wort dazu sagen konnte, legte der Feldhauptmann los:<br />

»Majestät, unser Herr und Meister Jesus Christus hat in seinen heiligen<br />

Evangelien geboten, daß wir all das glauben, was in ihnen enthalten ist, willig<br />

und fest, in wahrem und r<strong>einem</strong> Vertrauen, ohne jedweden Zweifel, und daß<br />

wir in diesem heiligen Glauben und <strong>nach</strong> christlichem Gesetz leben und<br />

sterben. Und alle, die dawider handeln, sollen als Ketzer betrachtet werden,<br />

denen die Heilsgüter, welche die Mutter Kirche verwaltet, zu verwehren sind.<br />

Deshalb müssen sich die Frauen und Jungfrauen, die Treu und Glauben<br />

geloben, davor hüten, ihr Wort zu brechen; denn wenn sie das tun, sind sie<br />

exkommuniziert; und wenn sie als Gebannte sterben, können sie<br />

116<br />

kein kirchliches Begräbnis erhalten und dürfen an k<strong>einem</strong> geweihten Ort<br />

beigesetzt werden.«<br />

Gutwillig und mit rührendem Eifer stimmte der Kaiser s<strong>einem</strong> Feldherrn zu,<br />

der eine große Wahrheit ausgesprochen habe; denn es sei eine schlimme<br />

Sache, dem Glauben Abbruch zu tun, gleichgültig, ob es Männer oder<br />

Frauen betreffe. Hätte er jedoch gewußt, was die Ursache des Disputes<br />

zwischen Tirant und seiner Tochter war, so hätte er den Sermon Tirants<br />

schwerlich gelobt.<br />

Dann nahm der Kaiser seine Tochter Karmesina bei der Hand, und<br />

gemeinsam erstiegen die beiden, ohne irgendwen um Begleitung zu bitten,<br />

die Treppen des Schatzturmes, um Geld zu holen, das Tirant übergeben<br />

werden sollte, damit dieser sich damit wieder ins Feldlager begebe.<br />

Solange sie droben waren, blieb Tirant bei den Hofdamen, und während er<br />

grübelnd dem <strong>nach</strong>sann, was die Prinzessin zu ihm gesagt hatte, ging ihm<br />

auf, daß diesmal die Muntere Witwe sein Geheimnis gewiß durchschaut und<br />

alles mitbekommen hatte, was sein Sermon besagen sollte. Und er wollte<br />

versuchen, ob er nicht mit Versprechungen wiedergutmachen könne, was er<br />

verbockt hatte. Und er begann diesen Versuch mit folgenden freundlichen<br />

und höchst liebevollen Worten.<br />

KAPITEL CCXII<br />

Die Argumente, welche Tirant der Munteren Witwe und den übrigen Hofdamen<br />

nahebrachte<br />

s ist eine harte Sache, sich die Gefahren klarzumachen, die <strong>einem</strong><br />

bevorstehen. Und wenn derjenige, der Macht hat, den Wissenden<br />

das Wissen wegzunehmen, dem Vernünftigen die Vernunft<br />

entzöge, bliebe nichts, woran dieser sich halten könnte. Die ärgste<br />

Qual für die Elenden ist die Erinnerung, daß sie irgendwann einmal<br />

glücklich waren. Und darum

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