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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Füßen läge, es nicht fertigbringen würde, mich zu verschonen. Aber ich kann<br />

nicht anders. Muß es mir da nicht erst recht unmöglich sein, meiner Herrin<br />

das Schlimmste anzutun, ihr das roh zu rauben, was Mädchen am liebsten<br />

bewahren möchten? Ich sage Euch: Um nichts auf der Welt würde ich Ihrer<br />

Majestät jemals Verdruß bereiten. Und einmal angenommen, ich wollte es tun<br />

– mir fehlte der Mut dazu. Lieber verbrächte ich mein ganzes Leben im<br />

Kummer, in der schmerzlich schönen Hoffnung, die ich hege, ihr Ehren und<br />

Dienste erweisen zu dürfen, gewappnet und ungewappnet, zu Fuß und zu<br />

Pferde, bei Nacht und bei Tage, ständig in kniefälligem Flehen ausharrend<br />

vor ihrer Hoheit, hoffend, daß sie mir gnädig sei. Denn ich will nicht, daß<br />

Ruhmsucht oder Lustbegier mich dahin bringen, daß man mich einen<br />

Schurken schilt. Meine Natur und meine Ehre bedingen es, daß ich Mitleid<br />

habe. Und wie wenig ist seines Erfolges sicher, wer unrechtmäßig sich dessen<br />

bemächtigt, was <strong>einem</strong> anderen gehört! Wann immer ein Diener sich einen<br />

häßlichen Verstoß gegen seine Herrschaft erlaubt, stürzt er sich selbst in<br />

unerträgliche Schande und verdient strenge Bestrafung. Deshalb will ich<br />

weiterhin die Qual und Mühsal erdulden, als Bittsteller ihre Huld zu erflehen;<br />

denn ich glaube fest, daß sie ein Geschöpf aus dem Paradiese ist – was sich<br />

augenscheinlich darin offenbart, daß ihre bezaubernde Gestalt mehr <strong>einem</strong><br />

Engel als <strong>einem</strong> menschlichen Wesen zu gleichen scheint.«<br />

Da verstummte er. Wonnemeineslebens, deren Miene erkennen ließ, daß sie<br />

keineswegs zufrieden war, antwortete ihm mit folgender Widerrede.<br />

166<br />

KAPITEL CCXXIX<br />

Wie Wonnemeineslebens Tirant anstachelte, Mut zu beweisen<br />

irant, Tirant, niemals werdet Ihr zum verwegenen oder<br />

furchterregenden Kämpen in der Schlacht, wenn Ihr beim<br />

Liebeszwist mit einer Frau oder Jungfrau nicht auch ein winzig bissel<br />

Gewalt ins Spiel bringt, vor allem wenn sich eine sträubt und nicht<br />

mitmachen will. Eure Sache steht ja nicht schlecht, Ihr habt Grund zu<br />

schönsten Hoffnungen, Ihr liebt ein wackeres Mädchen, eine Jungfrau, die aller<br />

Mühen wert ist – also geht zu ihrem Schlafzimmer und werft Euch auf das Bett,<br />

wenn sie nackt oder im Hemd daliegt, und dann mit gezückter Klinge tapfer<br />

drauflos, denn unter Freunden braucht’s keine Förmlichkeiten, da schmeckt es<br />

auch ohne Tafeltuch. Und wenn Ihr das nicht tut, möchte ich nicht mehr zu<br />

Eurem Haufen zählen; denn ich weiß doch, daß viele Ritter, weil sie rasche, keck<br />

zupackende Hände hatten, durch ihre Liebschaft zu Ehre, Herrlichkeit und<br />

Ruhm gelangt sind. O Gott, was für ein Fest ist es doch, ein zartes Mädchen in<br />

seinen Armen zu halten, splitternackt, erst vierzehn Jahre alt! O Gott, welche<br />

Seligkeit, im Bett der Schönen zu liegen und sie zu küssen, sooft man will! O<br />

Gott, welch ein Geschenk, daß sie auch noch von königlichem Blute ist! O Gott,<br />

welch feine Fügung, daß sie einen Vater hat, der Kaiser ist! O Gott, welch ein<br />

Glück, eine Geliebte zu haben, die reich und freigebig ist, ein Mädchen von<br />

makellosem Ruf! Und was ich am heißesten ersehne, das ist, daß Ihr <strong>zur</strong> Tat<br />

macht, was ich will.«<br />

Da ein großer Teil der Nacht schon vergangen war und die Wachen das Palasttor<br />

schließen wollten, sah Tirant sich genötigt fortzugehen. Und als er sich von der<br />

Herzogin verabschiedet hatte, die sogleich entschwand, sagte<br />

Wonnemeineslebens zu ihm:<br />

»Herr Kapitan, ich fände niemanden, der soviel für mich täte. Nun geht schön zu<br />

Bett und paßt auf, daß Ihr Euch nicht auf die falsche Seite dreht!«<br />

Tirant mußte lachen und antwortete:<br />

»Ihr seid wie ein Schutzengel, der <strong>einem</strong> allzeit mit gutem Rat <strong>zur</strong> Seite steht.«

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