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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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ich zu befürchten habe, wann immer es jemand bemerkt, erwacht in m<strong>einem</strong><br />

Herzen ein rasendes Verlangen, mich an diesem Schuft zu rächen, diesem<br />

gewissenlosen Anführer, der uns mit seiner Schäbigkeit in den Hungertod<br />

getrieben hat. Wenn ich diesen Diebstahl begangen habe, so nur deshalb,<br />

weil es ums Überleben ging, einen anderen Grund gab es nicht. Aber wenn<br />

Eure erhabene Durchlaucht mir die Erlaubnis erteilt, hin und her zu gehen,<br />

werde ich Euch auf dem Laufenden halten über das Tun und Treiben Eurer<br />

Feinde, über das, was sie vorhaben und wohin sie marschieren, damit Eure<br />

Hoheit an dem Tag, wo sie in ihr Unglück laufen, ihnen dasselbe Schicksal<br />

bereiten kann wie dem berühmten und allerhochwürdigsten König von<br />

Tlemsen.«<br />

Der König sagte:<br />

»Mir soll es recht sein, wenn du das machst. Du kannst gehen und kommen,<br />

wann immer du willst.«<br />

Und er wies alle Wächter an, ihn uneingeschränkt passieren zu lassen. Mit<br />

einigen seiner Ritter besprach er diese Angelegenheit, und alle meinten:<br />

»Herr, dieser Mann ist von den Seinigen schwer gekränkt worden, und er<br />

wird alles tun, um sie vernichtend zu treffen, an Leib und Seele. Trotzdem<br />

wird es gut sein, ihn im Auge zu behalten bei allem, was er tut und läßt.«<br />

Der Albaner verließ die Burg durch eine Geheimtür, ohne von irgendwem<br />

aus dem Flecken gesehen oder gehört zu werden, und ging schnurstracks zu<br />

Tirant, dem er alles berichtete, was auf der Burg gesprochen und<br />

ausgehandelt worden war. Und Tirant gab ihm sieben Dublonen und<br />

dreieinhalb Reals sowie ein paar kleinere Münzen, außerdem ein Schwert und<br />

einen großen Korb voller Pfirsiche – eine besondere Köstlichkeit, denn<br />

Pfirsiche gab es an jenem Ort nicht mehr, seitdem Tirant alle dortigen<br />

Bäume hatte fällen lassen und das ganze Gartengelände rings um den<br />

Marktflecken auf seinen Befehl verwüstet worden war. Und Tirant riet ihm:<br />

»Sag dem König, und zwar heimlich, damit es vertraulicher wirkt und er sich<br />

dir noch enger verbunden fühlt, daß ich eine große Menge Brotteig kneten<br />

lasse – woraus zu folgern sei, daß ich mich binnen drei oder vier Tagen<br />

wieder bei ihm zeigen würde.«<br />

Der Albaner verließ Tirant, und als er <strong>zur</strong> Burg <strong>zur</strong>ückkam, empfing ihn der<br />

König Escariano gnädig. Der Albaner bot der Königin die Pfirsiche dar, und den<br />

König erfreute dies mehr, als wenn er der Dame einen ganzen Marktflecken<br />

geschenkt hätte; denn Escariano merkte, daß sie große Lust auf diese Früchte<br />

hatte, und er hoffte, daß deren Genuß sie vielleicht aufheitern würde. Seit die<br />

junge Frau in seiner Gewalt war, hatte er sie nämlich noch nicht ein einziges Mal<br />

lachen gehört oder mit fröhlicher Miene gesehen, obwohl er doch wieder und<br />

wieder versuchte, sie zu ermuntern, mit guten Worten, wie etwa den folgenden.<br />

KAPITEL CCCXIV<br />

Wie der König Escariano die von ihm geliebte Dame zu trösten versuchte<br />

ie große Liebe, die ich für dich, edle Herrin, hege, hat ihre Ursache in<br />

deiner unvergleichlichen Schönheit und d<strong>einem</strong> scharfen Verstand;<br />

denn jeder Verliebtheit geht ja eine schlichte Zuneigung voraus, eine<br />

Sympathie, die auf den ersten Blick den unschätzbaren Wert eines<br />

menschlichen Wesens erkennt, diese Einzigartigkeit, die mich in Bann<br />

geschlagen, mir all meine Freiheit geraubt hat. Und mein Leben kann nur noch so<br />

lange währen, wie du es mir aus freien Stücken zu gewähren beliebst. Ich muß<br />

dich bitten, sei so gut, du, die du doch so klug und tugendhaft bist; hab die Güte,<br />

nicht länger zu weinen und endlich wieder fröhlich zu sein. Hör auf, dich so zu<br />

quälen, dich selbst und mich; denn so adlig du bist – mit mir könntest du doch<br />

wohl zufrieden sein. Ich bin jung, bin ein mächtiger König, der dafür sorgt, daß<br />

du eine königliche Krone trägst. Und du wirst Herrin sein über mich und viele<br />

Völkerschaften, die dir die Hand küssen werden. Wenn dich der Tod deines<br />

Vaters, deiner Brüder und deines Verlobten schmerzt – dann mach dir klar, daß<br />

sie sterblich waren und ohnehin einmal hätten sterben müssen. Du kannst dich<br />

damit trösten, daß dir nichts verlorengegangen<br />

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