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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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verebbte das Geschrei, entfernte sich fluchtartig, und da sahen sie draußen die<br />

Fahnen des Kaisers flattern, fortstürmend aus der verwüsteten Zeltstadt,<br />

hinfegend übers Flachland, die fliehenden Feinde verfolgend. Und von der<br />

Wehrmauer herab riefen sie ein paar Krieger an, die sich noch im Lager<br />

befanden, sei es, weil sie verwundet waren, sei es, weil sie Beute machen<br />

wollten. Man forderte die Zurückgebliebenen auf, näher herbeizukommen,<br />

und diese Fremden nannten den Namen des Feldherrn, den der Kaiser<br />

ausgesandt habe, um die Eingeschlossenen zu befreien. Sie schilderten ihnen,<br />

auf welch feinsinnige Weise es der Generalkapitan geschafft habe, die<br />

Sarazenen zu schlagen.<br />

Als dies dem Herzog zu Ohren kam und er mit eigenen Augen sah, daß kein<br />

Krieger mehr <strong>zur</strong> Stelle war, der sich als Feind entpuppen könnte, außer dem<br />

einen oder anderen Schwerverwundeten, der nicht mehr in der Lage war,<br />

auch nur davonzulaufen, rückte er mit all seinen Mannen aus, um das gesamte<br />

Lager gründlich zu plündern, in dessen Trümmern sie große Mengen von<br />

Gold und Silber fanden, kostbare Gewänder und Waffen, Juwelen jeder Art.<br />

Weder in den Berichten der Römer noch in den Geschichten von Troja liest<br />

man, daß ein so prächtiges Feldlager wie dieses so schnell zuschanden<br />

gemacht und all seiner Schätze beraubt worden sei.<br />

Als alles durchstöbert war, wurde die gesamte Beute hinter die Mauern<br />

geschafft. Dann stellte der Herzog bewaffnete Wachen auf, denen er befahl,<br />

sie sollten, falls Tirant oder einer der Seinigen erscheine, ihn unter keinen<br />

Umständen hereinlassen, denn oftmals zeige es sich, daß es kein Übel gibt,<br />

das nicht auch sein Gutes hat. Die halb zerstörte Ortschaft, deren Bewohner<br />

arg unter der Belagerung gelitten hatten, war auf einmal der Hort ungeahnter<br />

Reichtümer geworden. Sobald er seinen Raub gesichert hatte, begab sich der<br />

Herzog wieder hinaus und folgte der Fährte der Fahnen übers flache Land.<br />

Mit Staunen stellten er und seine Mannen fest, wieviel Leichname auf dieser<br />

Strecke lagen.<br />

Die Wächter von Tirants eben erst aufgeschlagenem Zeltlager meldeten dem<br />

Feldherrn, daß eine Menge Gewappneter sich in großer Eile nähere. Tirant<br />

befahl all seinen Rittern, sofort aufzusitzen und sich in Schlachtordnung<br />

aufzustellen, denn er dachte, daß die Feinde<br />

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sich in den Ortschaften, die noch in ihrer Gewalt waren, gesammelt,<br />

ausgerüstet und neu formiert hätten. Er ritt den Anrückenden entgegen, und<br />

als die Heerscharen einander nahekamen, erkannte er die kaiserlichen<br />

Feldzeichen und den Befehlshaber der anderen Krieger. Tirant nahm den<br />

Helm ab und übergab ihn s<strong>einem</strong> Knappen; alle anderen Truppenführer<br />

taten desgleichen. Als nur noch ein kurzer Abstand zwischen ihm und dem<br />

Makedonier war, stieg er vom Pferd, ging dem Herzog zu Fuß entgegen und<br />

begrüßte ihn mit einer tiefen Verneigung. Der Herzog blieb starr und stumm<br />

im Sattel sitzen; die ihm erwiesene Ehrerbietung beantwortete er damit, daß<br />

er seine Hand auf den Kopf Tirants legte, ohne auch nur ein einziges Wort<br />

zu sagen. Allen, die zugegen waren, erschien dies als ein höchst ungehöriges<br />

Benehmen, und kein einziger war geneigt, diesem ungehobelten Herrn zu<br />

Ehren vom Pferd zu steigen. Tirant bestieg wieder sein Roß und versuchte<br />

mehrmals, ein Gespräch mit dem Makedonier anzuspinnen, indem er ihm<br />

berichtete, was sich in den letzten Stunden ereignet hatte, doch der schwieg<br />

verstockt und brachte kaum je die Zähne auseinander. Die Ritter und<br />

Edelleute seines Gefolges hingegen bezeigten Tirant und den ihn<br />

begleitenden Herzögen aufs freundlichste ihre Ehrerbietung. In zwanglosem<br />

Geplauder vermischten sich dann die Sieger mit den Scharen derer, die<br />

unlängst eine so schwere Niederlage erlitten hatten, und gemeinsam ritt man<br />

bis zum Rand des Geländes, auf dem die Zelte standen.<br />

Tirant sagte zu dem Herzog:<br />

»Herr, wenn es Euch beliebt, auf dieser Wiese Eure Zelte aufzuschlagen, im<br />

Schatten so vieler schönen Bäume und nahe am Fluß, lasse ich gern mein<br />

Lager verlegen.«<br />

Der Herzog erwiderte:<br />

»Mir liegt nichts daran, in Eurer Nähe zu kampieren; ich ziehe es vor, mir<br />

einen anderen Platz zu suchen.«<br />

»Das steht Euch frei«, antwortete Tirant. »Das Angebot, das ich Euch<br />

gemacht habe, ist eine Geste der Höflichkeit gewesen, ein Ausdruck des<br />

Respekts, der Eurem Stand gebührt.«<br />

Der Herzog war nicht gewillt, sich weitere Worte anzuhören, riß mit <strong>einem</strong><br />

Ruck am Zügel sein Pferd herum und ritt, ohne irgendwen auch nur eines<br />

Blickes zu würdigen, von dannen, eine ganze

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