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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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»Wer Ratschläge erteilt«, sagte Wonnemeineslebens, »der muß auch tüchtig<br />

dazu beitragen, daß die Sache richtig in Gang kommt.«<br />

»Sagt, Jungfer«, erwiderte Tirant, »habt Ihr noch nie gehört, was schon so oft<br />

geschehen sein soll: daß einer, der übler Wegweisung folgt, zwangsläufig<br />

irgendwann einmal von Unheil und Schmach ereilt wird?«<br />

Und bei diesen Worten gingen sie auseinander.<br />

Die restliche Nacht hindurch ließ Tirant sich alles, was das Mädchen gesagt<br />

hatte, wieder und wieder durch den Kopf gehen. Am nächsten Tag ließ der<br />

Kaiser schon in aller Frühe seinen Feldhauptmann rufen, und dieser begab<br />

sich unverzüglich zu ihm und traf ihn an, wie er eben noch mit dem<br />

Ankleiden beschäftigt war, wobei ihm seine Tochter zu Hilfe kam. Die<br />

Prinzessin trug ein Brokatkleid, hatte die Brüste nicht mit <strong>einem</strong> Tuch<br />

verhüllt, und ihr Haar, ein wenig aus der Fasson geraten, wallte an ihr herab,<br />

fast bis zum Fußboden. Als Tirant auf den Kaiser zuging, erstaunte er<br />

angesichts der Einzigartigkeit eines menschlichen Körpers, wie sie sich ihm in<br />

diesem Moment beim Anblick Karmesinas offenbarte.<br />

Der Kaiser sprach ihn an:<br />

»Unser Feldhauptmann, ich bitte Euch, seid um Himmels willen so gut und<br />

tut alles, daß Ihr mit all Euren Mannen so rasch wie möglich ausrücken<br />

könnt.«<br />

Tirant war entrückt, er brachte kein Wort hervor angesichts einer so<br />

einzigartigen weiblichen Erscheinung. Erst <strong>nach</strong> einer geraumen Weile kam er<br />

wieder zu Besinnung und sagte:<br />

»Ich war in Gedanken bei den Türken, als ich Eure Majestät erblickte, und<br />

habe so nicht erfaßt, was Ihr mir gesagt habt. Deshalb bitte ich<br />

Eure Hoheit, mich gütigst wissen zu lassen, was Ihr von mir erwartet.«<br />

Der Kaiser, höchlich verwundert über das veränderte Aussehen und die<br />

Begriffsstutzigkeit des Kapitans, glaubte, daß es wohl so gewesen sein müsse,<br />

wie Tirant sagte; denn eine volle halbe Stunde war er nicht bei sich. So<br />

wiederholte denn der Kaiser, was er vorher zu ihm gesagt hatte. Darauf<br />

antwortete Tirant:<br />

»Herr, Eure Majestät soll wissen, daß durch Ausrufer in der ganzen<br />

168<br />

Stadt der endgültige Aufbruch für Montag angekündigt wurde, und heute ist<br />

Freitag. Das bedeutet, Herr, daß wir sehr bald schon ausrükken, und fast<br />

jedermann ist dafür gerüstet.«<br />

Tirant stellte sich hinter den Kaiser, so daß dieser ihn nicht sehen konnte, und<br />

hielt sich, <strong>zur</strong> Prinzessin hinüberschauend, die Hände vors Gesicht. Karmesina<br />

und die anderen jungen Damen brachen in schallendes Gelächter aus, und<br />

Wonnemeineslebens sagte, zum Kaiser gewandt, während der Ritter noch<br />

immer sein Gesicht verdeckte:<br />

»Wer gültige Herrschaft haben will, der muß notwendigerweise die Fähigkeit<br />

besitzen, das an sich zu ziehen und wieder von sich zu lassen, was er liebt, auch<br />

seinen Vasallen; denn ohne die Kraft solcher Fähigkeit taugt Herrschaft wenig.«<br />

Und sie ergriff den Arm des Kaisers, zog, so daß er sich umdrehte, zu ihr hin,<br />

und sagte:<br />

»Wenn du etwas vollbracht hast, das preiswürdig ist, so hat das mit Tirant zu<br />

tun, der in herrlicher Feldschlacht den Großsultan niederwarf und besiegte.<br />

Tirant war’s, der ihm die schauerliche Wahnidee austrieb, die Türken müßten<br />

das ganze Griechische Reich beherrschen. Mit schönen Worten freilich<br />

gedachte der Geschlagene den alten Kaiser zu überspielen, den wir hier vor uns<br />

haben. Doch hilflos mußten sie alle, die türkischen Könige samt dem Sultan,<br />

sich in Sicherheit bringen, und zwar im großen Bollwerk der Stadt Bellpuig,<br />

wohin sie sich nicht ruhigen Schrittes <strong>zur</strong>ückzogen, sondern flüchtend mit<br />

angstbeflügelten Füßen. Dieser Mann da hat kraft eigener Tugendstärke den<br />

Preis verdient, und wenn ich ein Zepter hätte oder Oberherrin des<br />

Griechischen Reiches wäre und aus m<strong>einem</strong> Schoß Karmesina ans Licht<br />

gekommen wäre – ich wüßte genau, wem ich sie <strong>zur</strong> Frau geben würde. Aber<br />

unter uns Frauenzimmern herrscht ja die Narrheit: wir erstreben nichts anderes<br />

als Ehre, Stand und Rang, und deshalb finden so viele ein übles Ende. Was<br />

würde es mir nützen, wenn ich ein Sproß vom Stamme Davids wäre, und alles,<br />

was ich habe, ginge mir verloren, weil kein rechter Ritter mir <strong>zur</strong> Seite steht?<br />

Und du, Herr, solltest den Wunsch haben, deine Seele zu rüsten, <strong>nach</strong>dem dein<br />

Leib die vergangenen Schlachten heil überlebt hat, und solltest nicht die<br />

Hoffnung hegen, deiner Tochter einen anderen Gemahl zu geben

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