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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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alle wären getötet worden oder in Gefangenschaft geraten. Doch selbst von<br />

denen, die in letzter Minute die Brücke passierten, stürzten viele bei dieser<br />

tumultuarisch wilden Flucht <strong>nach</strong> drüben, an das andere Ufer, mitsamt ihren<br />

Rossen ins Wasser. Die Feuersbrunst wütete so heftig in voller Breite, daß<br />

die ganze Brücke brennend niederkrachte und mehr als<br />

zweiundzwanzigtausend Mann, Fußsoldaten wie Berittene, ratlos vor dem<br />

zerstörten Übergang verharrten. Unter den Zurückgebliebenen befanden sich<br />

der Sohn des Herzogs von Kalabrien, der Herzog von Andria, der Herzog<br />

von Amalfi, der Graf von Borgenza, der Graf von Monturio und viele andere<br />

Anführer, die nicht mehr in den Sattel gekommen waren. Wegen der<br />

drangvollen Eile, zu der das jäh auflodernde Feuer gezwungen hatte, und aus<br />

panischer Angst vor den Christen, die jeden Augenblick über sie herfallen<br />

mochten, waren sie nämlich alle blindlings geflüchtet, ein jeder für sich, ohne<br />

auf die anderen zu warten.<br />

Tirant aber hatte, sobald er den Feuerwall sich flußabwärts wälzen sah, eilig<br />

den Berg erklommen, wo er mit großer Freude die Seinigen wiedersah, die<br />

fast alle schon im Sattel saßen, bereit und begierig, Beute zu machen im<br />

verlassenen Lager der Feinde. Tirant verwehrte ihnen dies jedoch mit aller<br />

Entschiedenheit.<br />

»Damit würden wir jetzt unseren ganzen Triumph verspielen«, rief er; »aber<br />

morgen soll uns außer der Ehre noch die Freude des Plünderns blühen.«<br />

Trotz der Ungeduld seiner Mannen verharrte also der Generalkapitan und<br />

sorgte dafür, daß ihre Stellungen die ganze Nacht sorgfältig bewacht wurden;<br />

denn er gab seinen Leuten zu bedenken: »Es kann kaum sein, daß alle<br />

hinübergekommen sind. Und was dann, wenn sie in ihrer Verzweiflung den<br />

Versuch unternehmen, uns durch einen Überrumpelungsangriff zu<br />

vernichten?«<br />

Als es endlich hell geworden war und die Sonne strahlend am Horizont<br />

aufging, ließ der Kapitan die Trompeten blasen, und jeder, der ein Pferd<br />

hatte, schwang sich in den Sattel. Den Pagen sowie den Troßknechten wurde<br />

der Befehl übermittelt, sie sollten mit Sack und Pack heraufkommen auf den<br />

Berg. Als alle dort oben beisammen waren, biwakierten sie gemeinsam in der<br />

Höhenstellung, die Stunden zuvor schon von den Streitern bezogen worden<br />

war. Aus dieser<br />

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Position konnte man nun die Feindesschar sehen, die noch diesseits der<br />

verbrannten Brücke war. Einige Ritter ließen den Kapitan wissen, sie wollten<br />

hinuntergehen und drunten im flachen Auland den Abgeschnittenen die<br />

Hölle heiß machen.<br />

Tirant erwiderte:<br />

»Nachdem die Falle wunschgemäß zugeschnappt ist und es uns freisteht, mit<br />

ihnen <strong>nach</strong> Belieben zu verfahren, sollten wir die Sache mit Klugheit zu<br />

Ende führen. Für uns ist der Verlust eines einzigen Ritters schlimmer als für<br />

sie die Einbuße einer ganzen Hundertschaft. Aber ich verspreche euch, daß<br />

ihr euch morgen um diese Zeit mitten in diese Heidenhorde begeben könnt,<br />

ohne daß man euch dort anders begegnet als mit geziemender Ehrerbietung.«<br />

Diafebus, der erkannte, in welch aussichtsloser Lage sich die Türken<br />

befanden, dachte in diesem Moment, es sei nun an der Zeit, etwas für die<br />

höhere Ehre Tirants zu tun, etwas, das seiner Herzenswonne dienlich wäre.<br />

Er nahm seine Hand und zog ihm den Ring vom Finger.<br />

»Vetter, was hast du vor?« fragte Tirant<br />

Diafebus antwortete:<br />

»Ich will Pirimus zum Kaiser schicken. Seit so vielen Tagen schon haben sie<br />

kein Wort von uns gehört! Dem Kaiser wird es ein gewisser Trost sein, wenn<br />

er diese Neuigkeit erfährt, und die gnädige Prinzessin samt den anderen<br />

Damen wird es bejubeln, auf welche Weise du die Sache gemeistert hast.«<br />

»Ich bitte dich, Vetter«, sagte Tirant, »beauftrage den Jungen, bei Hofe darauf<br />

zu drängen, daß die Lastensegler und Galeeren kommen, ehe uns das Mehl<br />

und die sonstigen Mundvorräte vollends ausgehen.«<br />

Pirimus machte sich auf den Weg. Als er in die Stadt Konstantinopel kam,<br />

hatte er den Eindruck, als wären alle Leute tief bekümmert und<br />

niedergeschlagen. Er sah, daß den Frauen die Tränen in den Augen standen.<br />

Und als er dann den Palast betrat, begegnete ihm dort noch Schlimmeres:<br />

nichts als zerkratzte Gesichter, zerrissene Gewänder. Niemand von all denen,<br />

die ihn kommen sahen, sprach ihn an, wie das die Leute bei Hofe früher<br />

doch immer getan hatten. Wandte er sich an eine Person, so wich man ihm<br />

aus und ließ ihn ohne Ant-

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