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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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langen nicht mein Leben verlängere. Denn wenn ich Ernst machen würde,<br />

das weiß ich, hätte ich alle Heiligen gegen mich; weil es gottlos wäre, wenn<br />

ich mich dazu hinreißen ließe, Hand an mich selbst zu legen, in der<br />

Hoffnung, der Tod sei das Ende aller Übel. Wird er <strong>einem</strong> von selbst zuteil,<br />

ohne daß man sich am eigenen Leben versündigt, so ist er für jede Jungfrau<br />

Rettung und Krönung ihrer Ehrbarkeit. Und eines ist gewiß: daß ich meine<br />

empfindsame Keuschheit beendige mit <strong>einem</strong> lustvollen Tod, indem ich<br />

meinen guten Ruf bis zum Ende meines leidvollen Lebens wahre. Denn<br />

Leben ist Sterben, wenn es nicht darauf hofft, schließlich Freude zu erfahren.<br />

O ich armes Geschöpf! Der Sand ist feucht von meinen Tränen. O<br />

Prinzessin, meine Herrin, ich bin recht sicher, daß Ihr jetzt um mich weint,<br />

mein Fernsein beklagt, unzufrieden mit Euch selbst, harrend voller Bangen,<br />

wann endlich ich mit der ersehnten Antwort <strong>zur</strong>ückkehre! Eure Hoheit hat<br />

allen Grund, sich Trost zu suchen; denn ich denke, daß Ihr mich nie mehr<br />

wiederseht, zu m<strong>einem</strong> großen Leidwesen!«<br />

Als der Morgen dämmerte und sie noch immer mit diesen traurigen<br />

Gedanken beschäftigt war, hörte sie auf einmal einen Mauren singend<br />

daherkommen. Um nicht gesehen zu werden, versteckte sie sich am<br />

Wegrand. Während der Mann an ihr vorbeiging, sah sie, daß sein Bart ganz<br />

weiß war, und sie dachte, dieser alte Muselman würde ihr vielleicht einen<br />

guten Rat geben. Sie ging auf ihn zu und erzählte ihm ihre ganze<br />

Unheilsgeschichte. Der Maure, zu tiefem Mitleid gerührt angesichts des<br />

jungen Weibes von so feiner Gestalt, antwortete:<br />

»Jungfrau, ich sehe, daß Fortuna dich in diese elende Lage gebracht hat. Ich<br />

will, daß du weißt, wie es mir erging: Ich war lange Zeit als Gefangener in den<br />

Diensten von Christen in Spanien, in einer Ortschaft, die Cádiz hieß. Die<br />

Señora, der ich zugeeignet war, schätzte mich, weil sie sah, welch große Hilfe<br />

ich für sie war. Es begab sich nämlich, daß der eine Sohn, den sie hatte,<br />

überfallen wurde von irgendwelchen persönlichen Feinden, die ihn<br />

erschlagen wollten. Und sie hätten ihn gewiß getötet, wenn ich nicht gewesen<br />

wäre. Mit dem Schwert in der Hand wagte ich es, ihnen entgegenzutreten,<br />

hob den Sohn meiner Señora von der Erde auf und verwundete zwei der<br />

Angreifer, die anderen jagte ich in die Flucht. Deswegen bewilligte die Herrin<br />

meine Freilassung. Von Kopf bis Fuß ließ sie mich neu<br />

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einkleiden, schenkte mir Geld für Wegzehrung und Reisekosten und schickte<br />

mich <strong>nach</strong> Granada. Dank dieser Liebenswürdigkeit, die mir die Señora<br />

erwies, hast du bei mir einen Stein im Brett. Und eine verwitwete Tochter<br />

von mir kann dich aufnehmen. Aus Achtung vor mir wird sie dich<br />

hochschätzen, als wärest du ihre Schwester.«<br />

Wonnemeineslebens fiel auf die Knie und dankte ihm tausendfach. Der<br />

Maure aber zog den Burnus aus, den er anhatte, und gab ihn<br />

Wonnemeineslebens. Dann begaben sich die beiden gemeinsam zu <strong>einem</strong><br />

Ort in der Nähe von Tunis, der Rafal hieß.<br />

Als die Tochter des Mauren das Mädchen erblickte, so jung und von so<br />

anmutiger Feinheit, aller Kleider beraubt, erfaßte sie großes Mitleid. Und der<br />

Vater bat sie, es der jungen Dame so angenehm wie möglich zu machen und<br />

ihr aufs freundlichste Gesellschaft zu leisten. Er sagte:<br />

»Du mußt wissen, Kind: Dies ist die Tochter jener Señora, die mir die<br />

Freiheit geschenkt hat. Die Freundlichkeit, mit der sie mich behandelte,<br />

solange ich bei ihr war, und die Gnade, die sie mir erwies, möchte ich gern an<br />

dieser Jungfrau vergelten.«<br />

Aus großer Liebe zu ihrem Vater empfing da die Tochter das hart geprüfte<br />

Mädchen aufs herzlichste, und sie gab ihm ein Hemd und eine Dschubbe<br />

samt Schleier. Und kein Mensch, der sie sehen mochte, hätte sie nicht für<br />

eine Muslimin gehalten.<br />

Nun laßt uns <strong>zur</strong>ückkehren zu Tirant. Nachdem Wonnemeineslebens samt<br />

den zwei Matrosen, denen er sie anvertraut hatte, von Deck gefegt worden<br />

war, hatte er noch auf der Galeere ausgeharrt, bis sie gänzlich vollgelaufen<br />

war. Kurz ehe sie versank, sprang er, wie vereinbart, mit dem Matrosen über<br />

Bord, in der Hoffnung, mit Hilfe des Seemannes vielleicht doch das Land<br />

erreichen zu können, obwohl Tirant die ganze Zeit der Meinung war, daß er<br />

dem Tod, sei’s im Meer oder an Land, nicht entrinnen könne; denn sobald<br />

die Mauren erführen, daß er Tirant sei, der Feldhauptmann der Griechen, der<br />

soviel Unheil über die Türken gebracht hatte, würden sie ihn nicht am Leben<br />

lassen, selbst wenn sie alle Schätze der Welt dafür erhielten. Aber dank dem<br />

Beistand der göttlichen Vorsehung und des Matrosen gelangte er samt<br />

s<strong>einem</strong> erfahrenen Begleiter ans Ufer, das sie betra-

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