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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Feinden den Eindruck zu vermitteln, als wolle er von dannen ziehen, damit sie<br />

nicht auf den Gedanken kämen, jegliche Landung seiner Truppen zu<br />

verhindern. Und als es stockfinstere Nacht war, ließ er die ganze Flotte<br />

umkehren und das Ufer ansteuern.<br />

Ihr müßt nun wissen, daß Konstantinopel eine wunderschöne Stadt ist,<br />

herrlich gebaut und vortrefflich geschützt durch eine mächtige Mauer, welche<br />

das Dreieck, als das die Gesamtheit der Stadtanlage erscheint, ringsum<br />

begrenzt. Und es gibt dort einen Meeresarm, den man den »Arm von Sankt<br />

Georg« nennt; dieser Meeresarm umschließt zwei Seiten der dreieckigen<br />

Halbinsel, auf der die Residenz errichtet wurde; eine dieser Flanken blickt<br />

südwärts zum Marmarameer, die andere ostwärts <strong>zur</strong> Türkei hinüber; die dritte<br />

Seite aber, die nicht von Wasser begrenzt wird, ist dem Westen zugekehrt, wo<br />

das Königreich Thrakien liegt. Nicht zufällig steuerte Tirant diese Landseite<br />

der Stadt an, und in der Nacht ließ er dort seine Leute ausschiffen, nur vier<br />

Meilen vom Feldlager der Mauren entfernt. Mit dem ganzen Heer wurden<br />

sämtliche Pferde und Geschütze ans Ufer geschafft, ebenso die erforderliche<br />

Munition und der Proviant, den man für die Versorgung einer solch großen<br />

Streitmacht benötigte. Dies alles geschah im Schutz der Dunkelheit so<br />

heimlich, daß keiner von den Mauren etwas davon sah oder hörte; und die<br />

Schiffe ließ man wohlbestückt <strong>zur</strong>ück.<br />

Als alle Ritter im Sattel saßen und marschbereit in Reih und Glied angetreten<br />

waren, zog man los, voraus eine lange Kolonne von Lasttieren. Eine halbe<br />

Meile weit folgte man flußaufwärts dem Ufer eines breiten Stromes, bis man<br />

an eine große Steinbrücke kam, unter der das strömende Wasser<br />

hindurchschoß. Und dort, beim diesseitigen Ende der Brücke, ließ Tirant<br />

seine Leute auf dem Ufergelände ihre Zelte aufschlagen. Der Fluß blieb als<br />

Sperre zwischen ihnen und den Feinden, damit die Sarazenen sie nicht bei<br />

Nacht überrumpeln oder ihnen sonst einen Verdruß bereiten könnten. Sein<br />

eigenes Zelt aber ließ Tirant mitten auf der Brücke errichten, weil er selbst<br />

darüber wachen wollte, daß niemand ohne sein Einverständnis hinüber- oder<br />

herübergehen konnte. Und er ließ viele Bombarden auf der Brücke in Stellung<br />

bringen, damit die Feinde, falls sie anrücken sollten, gebührend empfangen<br />

würden. Und zugleich sandte er seine Späher aus,<br />

302<br />

zum feindlichen Feldlager hin, um sofort Meldung zu erhalten, wenn<br />

irgendwer von dort sich nähern sollte.<br />

Sobald alle Mann untergebracht waren, schnappte Tirant sich einen<br />

Fußsoldaten; den schickte er verkleidet, eingehüllt in maurische Gewänder,<br />

<strong>zur</strong> Stadt Konstantinopel, mit <strong>einem</strong> Brief, der die folgende Botschaft<br />

enthielt.<br />

KAPITEL CDXIX<br />

Der Brief, den Tirant an den Kaiser von Konstantinopel schickte<br />

un habe ich allen Grund, durchlauchtigster Herr, mit großer<br />

Freude Eurer Majestät einen Brief zu schreiben; denn die<br />

glückspendende Fortuna will Euch ihre Gunst erweisen, und ich<br />

kann Eurer Hoheit vermelden, daß wir dank der Gnade Gottes<br />

einen Sieg über unsere Feinde errungen haben: Es ist uns<br />

gelungen, sämtliche Schiffe des Sultans und des Großtürken zu erbeuten, die<br />

ganze Feindesflotte, welche <strong>zur</strong> Belagerung Eurer Residenz vor<br />

Konstantinopel aufgekreuzt war, rund dreihundert Seefahrzeuge, voll beladen<br />

mit Proviant, wovon noch kein Fuder gelöscht worden ist. Und alle Mauren,<br />

die sich an Bord dieser Schiffe befanden, sind erschlagen worden, keinen hat<br />

man verschont.<br />

Nun würde ich von Eurer Majestät gern erfahren, wo auf Euer Geheiß all die<br />

Lebensmittel, die wir erbeutet haben, und die Mengen von<br />

Versorgungsgütern, die wir selbst mitgebracht haben, ausgeladen werden<br />

sollen. Ich habe nämlich beschlossen – vorausgesetzt, daß Eure Majestät<br />

damit einverstanden ist –, all die Schiffe, die ich angemietet habe, zu<br />

entlassen; denn diejenigen, die wir gekapert haben, samt einigen anderen,<br />

welche dem König von Sizilien und sonstigen Freunden und Verbündeten<br />

von mir gehören, genügen vollauf. Jetzt, da die Sarazenen keine Schiffe mehr<br />

haben, scheint mir, daß vierhundert wohlbestückte Seefahrzeuge ausreichen<br />

werden, um darüber zu wachen, daß die Muselmanen weder Proviant noch ir-

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