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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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eliebt, meine Meinung hierzu hören zu wollen, bin ich gern bereit, Euch zu<br />

sagen, was ich denke. Nun ja, wenn man mit einer jungen Dame über eine<br />

Heirat spricht, auf die sie sich freut, und wenn die hiermit in Aussicht gestellte<br />

Eheschließung nicht so rasch vollzogen wird, wie es ihr Gelüst und ihr eigener<br />

Kopf verlangen, so kränkt und vergrämt sie das. Doch da Eure Hoheit sich<br />

nun auf diese Pilgerfahrt begibt und auch Philipp diese Reise macht, bin ich<br />

der Meinung, daß diese Ehe erst geschlossen werden sollte, wenn seine Eltern<br />

ihr Einverständnis dazu gegeben haben. Ich hielte es für ratsam, Euer<br />

Durchlaucht, wenn Ihr Tirant veranlassen würdet, einen Brief an den König<br />

von Frankreich zu schreiben, worin er ihm diesen Heiratsplan darlegt und ihn<br />

fragt, ob eine solche Ehe sein Wohlgefallen fände. Dies scheint mir nötig,<br />

wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, daß aus Eintracht Zwietracht, aus<br />

Frieden Krieg wird. Niemand soll später behaupten können, der Prinz sei, jung<br />

und unerfahren wie er ist, in eine Falle gelockt worden. Wenn es um meine<br />

Tochter ginge, würde ich sie lieber <strong>einem</strong> Ritter geben, dessen Eltern mit<br />

dieser Verbindung einverstanden sind, als <strong>einem</strong> König, der sie gegen den<br />

Willen seines Volkes <strong>zur</strong> Königin machen will.«<br />

Der König und die Königin fanden den Rat des Herzogs vortrefflich, und die<br />

Infantin, von Scham gehemmt, wagte es nicht, ihnen zu widersprechen, wobei<br />

sie andererseits auch wiederum darüber froh war, daß diese Verbindung nicht<br />

gar so rasch zustande käme, da sie das Verlangen hatte, mit Philipp, den sie ja<br />

erst un<strong>zur</strong>eichend kannte, etwas besser vertraut zu werden; und so fügte sie<br />

sich dem Wunsch der anderen.<br />

Rasch ließen sie Tirant herbeirufen und berichteten ihm ausführlich, was<br />

man bei der Besprechung des Heiratsplanes überlegt habe. Und Tirant lobte<br />

den klugen Beschluß, zu dem sie gekommen waren. An ihm war es nun also,<br />

<strong>zur</strong> Feder zu greifen. Und er schrieb einen Brief an den König von<br />

Frankreich, worin er ihm eingehend alle Aspekte der Eheschließung darlegte,<br />

die man zu vollziehen gedenke, falls dieses Vorhaben sein Wohlgefallen<br />

fände. Der König von Sizilien ließ eine Brigg fahrbereit machen, die zum<br />

Festland hinübersegeln und den Brief auf schnellstem Wege <strong>nach</strong> Piombino<br />

bringen sollte.<br />

Tirants Schiff war derweilen mit <strong>einem</strong> reichlichen Vorrat von Wei-<br />

zen und anderen Lebensmitteln beladen worden. Zu dem Zeitpunkt nun, da<br />

die Brigg auslaufen sollte, erweckte der König den Anschein, als würde er mit<br />

diesem Postboot abreisen. Er verzog sich in ein Gemach, das er verriegelte, so<br />

daß niemand ihn zu Gesicht bekäme, während draußen das Gerücht in Umlauf<br />

gebracht würde, daß er sich auf die Fahrt <strong>nach</strong> Rom begeben habe, um dort<br />

Gespräche mit dem Papst zu führen. In der Nacht dann ließ Tirant den König<br />

und Philipp abholen, und sobald alle an Bord waren, suchte Tirant die Königin<br />

und die Infantin auf, um sich von den beiden Damen und dem gesamten<br />

Hofstaat zu verabschieden. Die Königin erwies Tirant viel Ehre und bat ihn,<br />

um das Wohl des Königs besorgt zu sein, da er ein Mensch von zartem<br />

Körperbau sei.<br />

»Herrin«, sagte Tirant, »Eure Hoheit kann sich darauf verlassen, daß ich ihm<br />

so sorgsam dienen werde, als wäre er mein angestammter Lehnsherr.«<br />

Auch die Infantin legte ihm diese Fürsorge ans Herz und schaute ihm<br />

wehmütig <strong>nach</strong>, gequält von Trennungsschmerz, im Gedanken an ihren in die<br />

Ferne ziehenden Vater, den König, und noch viel mehr gemartert von der<br />

Liebe, die sie um Philipps Leben bangen ließ.<br />

Und <strong>zur</strong> Stunde der ersten Wache, noch vor Mitter<strong>nach</strong>t, wurden die Segel<br />

gehißt, und das Schiff verließ den Hafen bei herrlichem Wetter. So gewogen<br />

war ihnen der Wind, daß sie binnen vier Tagen das Ionische Meer<br />

durchquerten und bald in Sichtweite von Rhodos gelangten. Sie hielten<br />

zunächst auf die Sankt-Peters-Burg zu, und in deren Nähe warfen sie Anker,<br />

um auf den Wind zu warten, der ihnen weiterhelfen würde. Dem Rat zweier<br />

Seeleute folgend, die Landsleute von Tirant waren und ihn leidenschaftlich<br />

verehrten, ließ der Bretone, als in der Nacht eine scharfe Brise aufkam, ein<br />

Segel setzen, und bei Morgengrauen befanden sie sich vor der Stadt, die zum<br />

Greifen nahe schien.<br />

Als die genuesischen Seeleute jenes Schiff heransegeln sahen, dachten sie, es<br />

sei ein eigenes, eines von zweien, die man mit dem Auftrag ausgesandt hatte,<br />

Proviant für die Belagerer herbeizuschaffen. Sie sahen, daß es sich von Osten<br />

näherte, und konnten sich nicht vorstellen, daß ein fremdes Fahrzeug sich<br />

mitten in die Menge<br />

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