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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Stephania streckte ihr die Zunge heraus. Als Wonnemeineslebens dies sah,<br />

sagte sie:<br />

»Ich würde auf all das Wissen pfeifen, das mir mein Vater beigebracht hat,<br />

als ich noch unter seiner Obhut war, wenn du nicht in der letzten Nacht<br />

einiges Blut verloren hast.«<br />

Prompt erwiderte Stephania:<br />

»Stimmt, es ist mir aus der Nase geflossen.«<br />

»Ich weiß nicht, ob aus der Nase oder aus der Ferse«, sagte<br />

Wonnemeineslebens; »jedenfalls habt Ihr Blut verloren; und deshalb könnt<br />

Ihr nun mir und meiner Wissenschaft vertrauen; denn was ich Euch jetzt<br />

sagen will, ist die reine Wahrheit. Und falls Eure Majestät, Herrin, damit<br />

einverstanden ist, daß ich Euch beiden einen Traum erzähle, den ich in der<br />

letzten Nacht hatte, werde ich das mit Freuden tun, unter der<br />

Voraussetzung, daß mir, falls ich dabei mit irgend <strong>einem</strong> Wort Eure Hoheit<br />

kränken sollte, die Vergebung nicht versagt wird.«<br />

Die Prinzessin hatte mit wachsendem Vergnügen dem munteren Mundwerk<br />

des Mädchens zugehört, und lauthals lachend sagte sie:<br />

»Leg los, laß hören, was immer du willst – Schuld und Buße sind dir von<br />

vornherein erlassen, kraft apostolischer Autorität.«<br />

Daraufhin begann Wonnemeineslebens ihren Traum zu erzählen, mit den<br />

folgenden Worten.<br />

KAPITEL CLXIII<br />

Der Traum von Wonnemeineslebens<br />

ch werde also Eurer Majestät all das schildern, was ich geträumt<br />

habe. Schlafend lag ich in <strong>einem</strong> schön geschmückten Raum, bei<br />

vier anderen Jungfrauen, und da sah ich, daß Stephania<br />

hereinkam, mit einer brennenden Kerze in der Hand, um nur ein<br />

bißchen Helligkeit zu machen. Sie trat an unsere Lagerstatt und<br />

schaute <strong>nach</strong>, ob wir schliefen,<br />

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wobei sie feststellte, daß wir alle schlummerten. Ich war so benommen, daß<br />

ich nicht recht weiß, ob ich schlief oder wachte. Und traumversunken sah<br />

ich dann, wie Stephania die Tür unseres Gemaches öffnete, ganz sacht, um<br />

kein Geräusch zu machen. Da traf sie meinen Herrn Tirant und den<br />

Konnetabel an, die draußen schon wartend bereitstanden. Die Mannen<br />

erschienen in Wams und Umhang, das gegürtete Schwert an der Seite. Über<br />

ihre Schuhe hatten sie Wollsocken gezogen, um möglichst leise an uns<br />

vorbeischleichen zu können. Kaum waren sie eingetreten, da löschte<br />

Stephania das Licht und ging voran, den Konnetabel an der Hand führend;<br />

hinterdrein folgte der tapfere Feldhauptmann. Es sah aus, als diente in<br />

diesem Fall statt eines Knaben ein Mägdlein als Blindenführer, der die<br />

Tapsenden in Eure Kammer lenkte. Eure Hoheit aber war frisch parfümiert,<br />

umwölkt vom Wohlgeruch der Zibetkatze und nicht übel aufgeputzt –<br />

angezogen also, nicht nackt. Tirant nahm Euch in die Arme und trug Euch<br />

durch das Schlafgemach, indem er Euch ständig küßte. Eure Hoheit<br />

flüsterte: ›Laß mich, Tirant, laß mich!, Und er legte Euch auf das Ruhelager.«<br />

Bei diesen Worten näherte sich Wonnemeineslebens dem Bett und sprach es<br />

an: »Ach, liebwerter Herr Pfühl! Welch ein Unterschied: Euer Bild bei Nacht<br />

und der traurige Zustand jetzt, wo Ihr allein seid, ohne Kumpanei, ohne<br />

irgendwelchen Ertrag! Wo ist derjenige, der hier gewesen ist, wie ich im<br />

Traume sah? Mir war, als erhöbe ich mich von m<strong>einem</strong> Lager, ginge im<br />

Hemd zu der Türe hier und schaute durchs Schlüsselloch all Eurem Treiben<br />

zu.«<br />

Die Prinzessin drängte:<br />

»Ging dein Traum noch weiter?«<br />

Höchst vergnügt fragte sie das, sich schüttelnd vor Lachen.<br />

»Aber ja, heilige Jungfrau Maria!« antwortete Wonnemeineslebens. »Ich muß<br />

Euch das alles vollends erzählen. Ihr, Herrin, nahmt ein Stundenbuch <strong>zur</strong><br />

Hand und sagtet: ›Tirant, ich habe dich hierher kommen lassen, um dir ein<br />

bißchen Ruhe zu gönnen. Ich tat’s aus tiefer Liebe zu dir.‹ Tirant zögerte<br />

jedoch, dieser Einladung zu friedsamer Entspannung Folge zu leisten. Und<br />

Eure Hoheit sagte: ›Wenn du mich liebst, darfst du keinerlei Zweifel<br />

aufkommen lassen, daß ich nichts von dir zu befürchten habe. Die heikle<br />

Lage, in die ich

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