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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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der Welt gesehen. Nicht einmal die Rubine, die am Goldenen Altarbild in San<br />

Marco zu Venedig eingearbeitet sind, ließen sich damit vergleichen; auch<br />

nicht jene, die das Grab des heiligen Thomas von Canterbury schmücken.<br />

Und da die Gesandten aus Frankreich einen Brief ihres Herrn und Königs<br />

erhalten hatten, der besagte, daß jener <strong>nach</strong> Sizilien kommen wolle, um den<br />

König zu besuchen und seine Schwiegertochter zu sehen, die prachtvolle,<br />

prunkliebende Ricomana, war der König von Sizilien darauf versessen, den<br />

genannten Rubin zu erwerben, um sich bei so festlicher Gelegenheit mit<br />

<strong>einem</strong> Schmuck zu präsentieren, der seiner königlichen Würde voll und ganz<br />

entspräche. Da sagte der Ritter, der eingekerkert gewesen war:<br />

»Wie kann Eure Hoheit eine solche Unsumme für diesen Stein da bieten? Ich<br />

sehe doch, daß er an der Unterseite drei kleine Löcher hat.«<br />

Der König erwiderte:<br />

»Ich habe ihn den Silberschmieden gezeigt, die etwas von Edelsteinen<br />

verstehen, und die haben mir gesagt, man könne ihn so fassen, daß die<br />

schadhafte Stelle <strong>nach</strong> hinten käme und keinerlei Makel zu sehen wäre.«<br />

»Herr«, sagte der Ritter, »es wäre trotzdem gut, wenn der Philosoph sich den<br />

Stein ansähe. Er würde Euch sicherlich sagen können, was das Stück wert ist.«<br />

»Nun gut«, sagte der König, »lassen wir ihn also kommen.«<br />

Man holte den Philosophen, und der König zeigte ihm den rosaroten Rubin.<br />

Als der Gefangene die Löcher darin bemerkte, nahm er den Stein, legte ihn<br />

auf seinen Handteller, hielt ihn ans Ohr, schloß die Augen und verharrte so<br />

eine ganze Weile. Dann sagte er:<br />

»Herr, in diesem Stein haust ein Lebewesen.«<br />

»Wie!« rief der Edelsteinschleifer. »Wer hätte so was je gesehen! Ein<br />

Edelstein, in dem ein Lebewesen haust?«<br />

»Wenn dem nicht so ist«, sagte der Philosoph, »hier habe ich dreihundert<br />

Dukaten, die ich Eurer Hoheit als Pfand übergebe, samt m<strong>einem</strong> Leben, das<br />

verspielt sein soll, falls ich etwas Falsches behauptet habe.«<br />

Darauf sagte der Edelsteinschleifer:<br />

»Auch ich, Herr, bin bereit, Kopf und Kragen zu riskieren. Wenn sich zeigt,<br />

daß ein Lebewesen in dem Stein ist, soll mein Leben mitsamt dem Stein<br />

verloren sein.«<br />

Nachdem so die Wette geschlossen war und die dreihundert Dukaten sich in<br />

der Hand des Königs befanden, nahm man den Stein, legte ihn auf einen<br />

Amboß und bearbeitete ihn mit <strong>einem</strong> Hammer, bis er in zwei Hälften zerfiel<br />

und ein Wurm zum Vorschein kam. Alle Anwesenden bestaunten fassungslos<br />

den Scharfsinn und das Wissen des Philosophen. Der Steinschleifer aber war<br />

sehr beschämt und verwirrt, und sein Herz pochte nicht mehr im rechten<br />

Gleichmaß, eingedenk seines sicheren Todes.<br />

»Herr, haltet Wort und tut, was Rechtens ist«, sagte der Philosoph. Sofort gab<br />

der König ihm das Geld <strong>zur</strong>ück und schenkte ihm den Rubin. Dann ließ er<br />

die Scharfrichter kommen, um ihnen den Steinschleifer zu überantworten.<br />

Der Philosoph aber sagte:<br />

»Nachdem ich einen üblen Kerl umgebracht habe, will ich nun diesem da, der<br />

ein guter Mensch ist, verzeihen und ihm den Tod ersparen.«<br />

Mit dem Einverständnis des Königs nahm er dem Steinschleifer die Fesseln<br />

ab. Dem König aber schenkte er die zwei Hälften des Rubins.<br />

Als der König diese in Händen hatte, befahl er, den Philosophen wieder in<br />

den Kerker zu bringen, wobei er sich noch vergewisserte, wieviel Brot der<br />

Gefangene bekomme. Der Haushofmeister antwortete, ein halbes Pfund sei<br />

seine Tagesration. Da sagte der König:<br />

»Gebt ihm ein weiteres halbes Pfund, so daß er ein ganzes hat.« Auf dem<br />

Rückweg zum Kerker sagte der Gefangene zu denen, die ihn abführten:<br />

»Sagt dem König, daß er ganz gewiß kein Sohn des großmütigen und<br />

ruhmreichen Königs Robert ist, der zu seiner Zeit der mutigste und<br />

freizügigste Fürst war, den es auf Erden gab. Der jetzige beweist durch sein<br />

Verhalten nur allzu deutlich, daß er keinesfalls von <strong>einem</strong> Mann solchen<br />

Ranges abstammt, sondern eher der Sohn eines Bäkkers ist. Und wenn er den<br />

Nachweis dieser Herkunft geliefert haben<br />

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