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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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Gleich am nächsten Tag forderte er ihn auf, noch mal <strong>zur</strong> Burg zu reiten und<br />

dort mit s<strong>einem</strong> neuen Freund zu reden. Als dem Sarazenen die rechte<br />

Stunde gekommen schien, nahm er eines der schönsten Pferde aus dem<br />

Marstall des Sultans und machte sich auf den Weg <strong>zur</strong> Brücke. Dort<br />

bekundete er seine friedliche Absicht, konnte passieren und gelangte in die<br />

Burg, wo er von allen mit großer Freundlichkeit empfangen wurde. Und<br />

nicht lange da<strong>nach</strong> erschien auch schon Tirant, der mit herzlicher<br />

Ehrerbietung den Burgherrn und dessen Sohn begrüßte. Hierauf begaben<br />

sich die dreie in ein Nebengemach, wo die Herrin des Hauses bereits lebhaft<br />

mit dem Sarazenen plauderte. Nachdem Tirant die Dame umarmt hatte, erwies<br />

er dem Sarazenen die geziemende Ehre, und der Fremdling bekannte<br />

dem Kapitan, daß er gekommen sei, um endlich Christ zu werden; denn es<br />

sei ihm ganz von selber klar geworden, in welchem Glauben die Wahrheit<br />

wohne. Dann bat er den Ritter, er möge doch geruhen, ihn in seine Dienste<br />

zu nehmen.<br />

»Und ich möchte Eurer Hoheit mitteilen, daß laut Ratsbeschluß morgen oder<br />

übermorgen ein Fehdebrief an Euch abgesandt wird. Hütet Euch aber, Herr,<br />

diese Herausforderung zum Zweikampf anzunehmen. Ihr dürft Euch<br />

keinesfalls darauf einlassen. Es kann für Euch nichts Gutes dabei<br />

herauskommen. Im Gegenteil: Nur schlimmes Unheil käme über Euch und<br />

alle, die mit Euch gehen.«<br />

Tirant dankte ihm herzlich für die wohlgemeinte Warnung und sagte, daß er<br />

gern bereit sei, ihn fürderhin als seinen Leibdiener zu betrachten.<br />

Gemeinsam begaben sie sich in die Kapelle, und dort empfing der Fremdling<br />

mit andächtiger Hingabe die heilige Taufe, wobei Tirant und der Sohn des<br />

Burgherrn als Paten amtierten und die Herrin des Hauses als Patin teilnahm.<br />

Sie gaben ihm den Namen Zypriot von Paterno. Nachdem die weihevolle<br />

Handlung vollzogen war, sagte der Benetzte:<br />

»Herr, dank der Gnade unseres Herrn im Himmel habe ich die heilige Taufe<br />

empfangen und erachte mich nun als echten Christen. In diesem Glauben<br />

will ich leben und sterben. Wenn Eure Hoheit wünscht, daß ich hierbleibe,<br />

um Euch zu dienen, so tue ich dies von Herzen gern; wollt Ihr aber, daß ich<br />

<strong>zur</strong>ückkehre in das Lager da drüben und Euch täglich Nachricht gebe von<br />

allem, was dort vor sich<br />

588<br />

geht, so kann ich Euch versichern, daß es keinen in unserem Lager gibt, der<br />

besser Bescheid wüßte als ich; denn sämtliche Beratungen finden im Zelt<br />

des Sultans statt, und ich erfahre alles, was dort geredet wird, weil ich<br />

Mitglied des Kriegsrats bin.«<br />

Da schenkte ihm Tirant zum Dank eine goldene Kette, die er selbst getragen<br />

hatte; und der Sohn des Burgherrn gab ihm vierzig Dukaten; die Herrin des<br />

Hauses aber reichte ihm einen Diamanten, der den Wert von<br />

fünfundzwanzig Dukaten haben mochte. Und als der Frischgetaufte all diese<br />

Geschenke in seinen Händen hielt, übergab er die gehäuften Schätze der<br />

Burgherrin, damit diese sie für ihn verwahre.<br />

Tirant aber bat ihn dringlich, er möge <strong>zur</strong>ückgehen ins Feindeslager und<br />

sooft wie möglich den Burgherrn aufsuchen, damit dieser jederzeit wisse, was<br />

die Türken jeweils im Schilde führen; denn der Grimmige Nachbar werde die<br />

Auskünfte, die er erhalte, unverzüglich weiterleiten an sein Hauptquartier.<br />

Der Zypriot von Paterno antwortete:<br />

»Vortrefflicher Feldhauptmann und geliebter Herr, Euer Gnaden können<br />

sich auf mich verlassen, ohne irgendwelchen Zweifel oder Argwohn; denn so<br />

wahr ich nun ein Christ bin – ich will Euch so treu sein, als wäret Ihr es<br />

gewesen, der mich großgezogen hat, von Kindesbeinen an. Freilich, ich weiß,<br />

daß Ihr keinen Grund habt, mir sonderlich zu vertrauen, da ich ja ein<br />

Moslem gewesen bin. Doch Ihr werdet in Zukunft an mir erkennen, wie fest<br />

die Beständigkeit der Liebe ist, die ich für Euch hege. Ich habe jedoch noch<br />

eine Bitte an Euch, Herr Kapitan. Falls Eure Hoheit irgendwelche<br />

Näschereien hat, wäre ich Euch dankbar, wenn Ihr mir etwas davon<br />

mitgeben würdet, damit ich es als Präsent dem Sultan übergeben kann, der<br />

ein großer Liebhaber von kandierten Früchten und ähnlichen Leckereien ist.<br />

Käme er durch mich zu derlei Dingen, so wäre das ein hübscher Vorwand,<br />

der es mir erleichtern würde, ungehindert hin und her zu gehen, ohne daß<br />

irgendwer einen Verdacht schöpft.«<br />

Der Burgherr sagte:<br />

»Ich kann Euch solche Mitbringsel geben.«<br />

Er ließ Datteln und mancherlei andere in Zucker eingelegte Früchte holen<br />

und lud alle Anwesenden ein, sich daran zu erlaben. Ein Käst-

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