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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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klar, daß diese Verletzung da für mich ein Nichts ist, denn ich bin oftmals<br />

verwundet worden und schon manchmal nahe daran gewesen, den Geist<br />

aufzugeben; doch dieser Gedanke, dieser nagende Zweifel raubt mir alle<br />

Gewißheit. Und was mir den schlimmsten Schmerz verursacht, das ist die<br />

Unzufriedenheit meiner Herrin mit mir; ihr Mißfallen, das ist es, was mich<br />

quält. Deshalb bitte ich Euch, Jungfrau, wenn Euch an m<strong>einem</strong> Wohl gelegen<br />

ist, dann seid so gut und geruht, mir alles zu sagen, alles, sei’s erfreulich oder<br />

unerfreulich, und spannt mich nicht länger auf die Folter.«<br />

Wonnemeineslebens sagte daraufhin mit freundlicher Miene, von Herzen<br />

gern werde sie ihm diesen Dienst erweisen; und flüsternd begann sie, ihm das<br />

Folgende zu berichten.<br />

KAPITEL CCXLI<br />

Wie Wonnemeineslebens dem Kapitan alles erzählte, was <strong>nach</strong> s<strong>einem</strong> Sturz geschehen war<br />

ie übellaunige und ungerechte Fortuna mißgönnte Euch Euer<br />

Glück und Eure Lust. Nach Eurem Verschwinden erhob sich<br />

ein vielstimmiges Geschrei im Palast, und ein solcher Tumult<br />

entstand, daß der alte Kaiser sich genötigt sah, sein Bett zu<br />

verlassen; und mit unvorstellbarer Wut, mit dem blanken<br />

Schwert in der Hand, wollte er sämtliche Gemächer durch- suchen, wobei er<br />

sich dazu hinreißen ließ, lauthals zu verkünden, er werde gnadenlos jeden<br />

Eindringling umbringen, sei’s nun Ratte oder Mensch. Und die Kaiserin,<br />

schließlich überdrüssig des langen Wachbleibenmüssens, kehrte wieder in<br />

ihren Alkoven <strong>zur</strong>ück, um weiterzuschlafen. Nachdem alle Soldaten der<br />

Palastwache sich beruhigt hatten, suchte die liebestolle Witwe – welche eine<br />

Verwandte jener alten Hexe ist, die nur denen Böses antut, die ihr Gutes tun<br />

–, getrieben von ihrer eigenen Leidenschaft und Bosheit, die Prinzessin auf.<br />

Bedenkt man, was Euer Gnaden jener üblen Person schon alles zulieb getan<br />

haben, wieviel sie von Euch schon geschenkt bekam,<br />

212<br />

so kommt man zu dem Schluß, daß sie sich anders verhalten müßte, als sie<br />

getan hat. Mit einer Miene voll falschen Mitleids sagte sie zu Karmesina:<br />

›Herrin, ich habe gesehen, wie Tirant sich an <strong>einem</strong> Strick hinabließ und, als<br />

das Seil auf halbem Wege riß, aus so großer Höhe in die Tiefe stürzte, daß<br />

der ganze Körper zerschmettert worden ist.‹ Dabei brach sie in lautes<br />

Geheul aus. Als die Prinzessin diese Schreckens<strong>nach</strong>richt hörte, brachte sie<br />

kein anderes Wort hervor als ›Jesus! Jesus! Jesus!‹ Dreimal rief sie es, da<br />

entschwand ihr plötzlich der Geist, weiß nicht, wohin, noch, wozu. Drei<br />

volle Stunden war sie nicht bei sich. Sämtliche Ärzte waren herbeigeeilt,<br />

vermochten es aber nicht, sie wieder zu Bewußtsein zu bringen. Angesichts<br />

dieser Lage dachte man, alles sei verloren, was die Natur ihr verliehen, Fortuna<br />

ihr vergönnt hatte. Und der Tumult und die Schreie, die dieses zweite<br />

Entsetzen im Palast verursachte, waren noch schlimmer als beim ersten.«<br />

Da<strong>nach</strong> gab Wonnemeineslebens alle Gespräche wieder, die sich zwischen<br />

ihr und der Prinzessin ergeben hatten.<br />

»Und ich kann Euch gar nicht sagen, Herr, wie sehr sie sich da<strong>nach</strong> sehnt,<br />

Euch zu sehen. Bestünde nicht die Sorge um ihre Ehre, die Angst vor der<br />

Schande, sie wäre gewiß hierhergekommen. Und ihre wirre Leidensgeschichte<br />

ist insgeheim nichts anderes als ein einziges Knäuel von Hoffnungssträngen.<br />

Sie kommt mit sich selbst nicht <strong>zur</strong>echt und kann sich nicht entscheiden, wie<br />

sie sich beim ersten Wiedersehen Euch gegenüber verhalten soll: ob sie<br />

zeigen soll, wie leid es ihr tut, daß Ihr übel dran seid, oder doch lieber nicht.<br />

Dieser Widerstreit tobt in ihrem Kopf; denn sie sagt, wenn sie Euch ein<br />

freundliches Gesicht zeige, würde das in Euch den Wunsch wecken, daß sie<br />

tagtäglich herkomme; und im anderen Fall, wenn sie das Gegenteil tue, wäret<br />

Ihr unglücklich, unzufrieden mit Ihrer Hoheit.«<br />

Spontan gab Tirant die folgende Antwort.

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