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Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen ... - Ivitra

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feinster Gala erschienen. Sie fanden den Kaiser bereit zum Aufbruch, schon<br />

im Sattel, umgeben von einer Menge wartender Gefolgsleute und beobachtet<br />

von allen Damen, die an den Fenstern standen, um das Schauspiel des<br />

kaiserlichen Ausritts zu genießen.<br />

Als Tirant die Prinzessin erblickte, beehrte er sie mit einer tiefen Verneigung,<br />

und sie grüßte ihn mit huldvoller Miene. Der Kaiser fragte Tirant, was ihm<br />

denn Kopfzerbrechen mache; er habe davon munkeln hören.<br />

»Und ich bitte Euch, mir den Grund Eures Mißbefindens zu nennen; denn<br />

die Arznei, die ich Euch dagegen verabreiche, ist so heilkräftig, daß Euer<br />

Herz wieder heiter wird. Sagt mies also gleich, ohne Scheu oder Scham.«<br />

Ohne Zögern gab Tirant ihm die folgende Antwort.<br />

KAPITEL CXXVI<br />

Was Tirant auf die Frage des Kaisers antwortete<br />

s gibt kein Geheimnis, Herr, so ernst es auch sein mag,<br />

das ich Eurer Majestät nicht offenbaren würde, um der<br />

Ergebenheit und Liebe willen, mit der ich Euch dienen<br />

möchte. Auch wenn es mir schwer fällt und ich dabei<br />

über Dinge reden muß, die tieftraurig sind, will ich der Weisung<br />

gehorchen, die Eure Hoheit mir erteilt. Als ich nämlich die durchlauchtigste<br />

Frau Kaiserin und die gnädige Prinzessin bei Tische traf,<br />

hörte ich einen Seufzer, einen so heftigen, tiefen Seufzer, daß ich<br />

dachte, sie habe um den geseufzt, den sie einst gebar. Es ging mir zu<br />

Herzen, und ich empfand in diesem Augenblick ein unsagbar<br />

schmerzliches Mitgefühl. Da gelobte ich mir insgeheim – denn der<br />

Seufzer der hohen Herrin war ja nicht für fremde Ohren bestimmt,<br />

und so wollte auch ich, ohne daß irgend sonstwer etwas davon<br />

bemerkt, mir selbst das Gelübde leisten –, meine ganze Ehre darein<br />

zu setzen, daß jene Untat gerächt wird. Und niemals wird mein<br />

Herz <strong>zur</strong> Ruhe kommen, ehe meine blutbesudelte rechte Hand de-<br />

446<br />

nen das Leben entrissen hat, die ruchlos das Blut des ruhmreichen und<br />

tollkühnen Ritters vergossen haben, der Euer Sohn und Thronerbe war.«<br />

Mit tränenüberströmtem Gesicht dankte der gütige Herr dem Bretonen für<br />

seine liebevolle Teilnahme. Und Tirant, der den Kaiser so bitterlich weinen<br />

sah, brachte das Gespräch auf andere, erfreuliche Dinge, um ihn von s<strong>einem</strong><br />

Kummer abzulenken.<br />

Über dies und jenes plaudernd, ritten sie weiter und gelangten <strong>zur</strong> Stadt Pera,<br />

die etwa drei Meilen von Konstantinopel entfernt liegt. Das Schmuckstück<br />

dieser Stadt ist ein großartiges Schloß, umgeben von reizvollen Gärten und<br />

vielen herrlichen Monumenten; der ganze Ort aber strotzte von Reichtum,<br />

weil er ein Seehafen und Hauptumschlagplatz des Handels ist.<br />

Nachdem sie alle Sehenswürdigkeiten betrachtet hatten, sagte der Kaiser:<br />

»Kapitan, damit Ihr erahnt, wie alt diese Stadt ist, will ich Euch einiges<br />

erzählen. Sie ist vor langer, langer Zeit von Leuten erbaut und bewohnt<br />

worden, die Heiden waren. Erst viele Jahrhunderte <strong>nach</strong> der Zerstörung<br />

Trojas wurden diese Götzenanbeter zum heiligen katholischen Glauben<br />

bekehrt, durch einen edlen und vortrefflichen Ritter namens Konstantin.<br />

Dieser kühne Mann war mein Großvater, und dessen Vater war zum Kaiser<br />

von Rom gekürt worden, als der er zugleich über ganz Griechenland und<br />

viele andere Provinzen herrschte, wie die Historie seines Lebens <strong>zur</strong> Genüge<br />

belegt. Später dann, als er durch Sankt Sylvester von der schweren Krankheit<br />

geheilt wurde, die ihn befallen hatte, wurde er Christ und machte seinen<br />

Retter zum Papst, wobei er diesem das gesamte Römische Reich übergab,<br />

damit es künftig Eigentum der Kirche sei. Er selber aber begab sich <strong>zur</strong>ück<br />

<strong>nach</strong> Griechenland und regierte fortan als Kaiser des Griechischen Reiches.<br />

Als Thronfolger übernahm her<strong>nach</strong> Konstantin, der mein Großvater war, die<br />

Herrschaft. Von sämtlichen Gauen unseres Ostreiches wurde er nicht nur<br />

zum Kaiser gekürt, sondern auch zum Papst für alle Regionen unseres<br />

Imperiums erklärt. Und weil er ein überaus gütiger Mann war, der mit großer<br />

Menschlichkeit regierte, strömten viele Leute aus fremden Ländern herbei,<br />

um sich hier niederzulassen; und sie kamen in solchen Scha-

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