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Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH

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Reziprozität <strong>oder</strong> ob die AkteurInnen wirklich miteinander sprechen<br />

träge. Ein möglicher Grund für das hohe Mass an – zumindest oberflächlicher – Reziprozität<br />

ist, dass bei google.groups deutlich weniger so genannte One-Poster teilnehmen, die<br />

sich nach einem Beitrag wieder aus dem Forum verabschieden, als es bei den übrigen Foren<br />

der Fall ist (zwei Fünftel bzw. über drei Fünftel aller UserInnen).<br />

Online-Foren: Sprachregionen<br />

Auf Ebene der Sprachregionen können ebenfalls Unterschiede hinsichtlich der Reziprozität<br />

festgestellt werden.<br />

Reziprozität Online gesamt<br />

(n = 1985)<br />

Deutschschweiz<br />

(n = 1664)<br />

Bezugnahme 81.9% 84.7% 66.4%<br />

keine Bezugnahme 18.1% 15.1% 33.6%<br />

Tabelle 15: Reziprozität in den Online-Foren nach Sprachregion<br />

Westschweiz<br />

(n = 321)<br />

In den Deutschschweizer Foren beziehen sich die UserInnen in 84.7% zumindest oberflächlich<br />

aufeinander. Der Prozentsatz der Redebeiträge ohne Bezugnahme liegt bei<br />

15.1%. In den Foren der Romandie ist er relativ hoch bei 33.6%, die oberflächliche Bezugnahme<br />

bei 66.4%. Dieser Unterschied zwischen den Sprachregionen ist mit den strukturellen<br />

Vorgaben der Foren erklärbar. Um dies zu verifizieren, können die Foren der Medienverlagshäuser<br />

nach Sprachregion betrachtet werden. Dabei weisen diejenigen der Deutschschweiz<br />

eine Bezugnahme von 76.1% auf, diejenigen der Romandie lediglich 66.4%. Die<br />

Foren in der Westschweiz kennen keine automatisierte Antwortmöglichkeit und weisen<br />

einen chronologischen Aufbau auf. Damit ist bspw. der thematische Verlauf einer Teildiskussion<br />

nicht ohne weiteres ersichtlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass die UserInnen lediglich<br />

die neuesten Posts im Forum lesen, ist relativ hoch. Dadurch ist es für sie auch nicht<br />

ersichtlich, wenn bereits jemand zu einem bestimmten Aspekt etwas geschrieben hat und<br />

sie nehmen demnach darauf nicht Bezug. Die Deutschschweizer Foren verfügen alle über<br />

eine Antwortmöglichkeit. Durch die Baumstruktur ist das Navigieren innerhalb des Forums<br />

leichter, verschiedene Diskussionsstränge sofort ersichtlich.<br />

Kurzzusammenfassung: Sowohl in den traditionellen elektronischen Medien wie auch im<br />

Internet wird sehr häufig eine – zumindest oberflächliche – Bezugnahme zu vorangegangen<br />

Beiträgen hergestellt (je in rund vier Fünfteln aller Bezugnahmen). Diese in beiden<br />

Mediengattungen ähnlichen Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass es sich bei der Foren-Kommunikation<br />

insgesamt nicht um geplante Sprache handelt, sondern dass sie eher<br />

dem Charakter des mündlichen Gesprächs verpflichtet ist. Das Resultat zeigt, dass die<br />

Möglichkeit des Internets, die Aussagen dank ihrer Schriftlichkeit zu „planen“, anscheinend<br />

nicht genutzt wird. Die Annahme, dass der Diskursverlauf im Internet gegenüber Radio<br />

und Fernsehen weniger reziprok ist, dass also die einzelnen AkteurInnen weniger auf<br />

die anderen Teilnehmenden eingehen, bestätigt sich demnach bislang nicht.<br />

Erwartet wurde, dass die Bezugnahme ein charakteristisches Unterscheidungskriterium ist,<br />

dass es also Personen gibt, die vor allem daran interessiert sind, die eigene Meinung zu<br />

verlautbaren ohne auch nur einen oberflächlichen Bezug zu anderen Teilnehmenden herzustellen.<br />

Dies ist jedoch selten der Fall. In den traditionellen elektronischen Medien ist es in<br />

erster Linie die M<strong>oder</strong>ation, die auf eine Bezugnahme verzichtet, was durch die gesprächsleitenden<br />

Aufgaben erklärbar ist. Der hohe Anteil an Reziprozität bei den Teilnehmenden<br />

in den klassischen Medien lässt sich auf die Mündlichkeit der Sprache zurückführen. In der<br />

gesprochenen Sprache wird rasch eine Bezugnahme hergestellt, unter anderem durch das<br />

back-channel-behaviour, also das Rückmeldeverhalten des/r ehemaligen HörerIn. Die bisherigen<br />

Resultate zeigen, dass bei den traditionellen elektronischen Medien weder die<br />

Ebene der Sendung noch der ökonomischen Stellung der Sender, sondern vielmehr die<br />

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