Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
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Inklusivität <strong>oder</strong> wer überhaupt zu Wort kommt<br />
Wort kommen, als die positionierten AkteurInnen. Besonders deutlich ist dies bei den Online-Foren<br />
der Fall, denn obschon 42.0% der UserInnen nicht positioniert sind, beläuft sich<br />
ihr Anteil an allen Redebeiträgen auf lediglich 28.3%. Dies lässt den Rückschluss zu, dass<br />
sowohl in den traditionellen wie auch in den neuen elektronischen Medien v.a. eine Pro-<br />
Contra-Debatte geführt wird. Allerdings ist der Anteil der Diskussion, die zwischen Teilnehmenden<br />
stattfindet, deren Abstimmungsabsicht nicht bekannt ist, in den Online-Foren<br />
deutlich grösser als in den klassischen Medien mit 3.9%. Bezüglich der Diskursqualität<br />
besteht ein grosses Potential der Online-Foren darin, dass eine Diskussion geführt werden<br />
kann, die sich nicht primär an bereits gefassten Positionen orientiert, da eine Positionierung<br />
der Teilnehmenden – im Sinne bspw. einer parteipolitischen Ausrichtung – im Gegensatz<br />
zu AkteurInnen in den klassischen Medien eine geringere Bedeutung einnimmt. Die Auseinandersetzung<br />
über bestimmte Argumente ist daher potentiell eher auf Inhalte und weniger<br />
auf Positionen ausgerichtet. 106<br />
Klassische Medien<br />
Bei den klassischen Medien fällt auf, dass ein Grossteil der AkteurInnen positioniert ist.<br />
Nur 9.8% der Teilnehmenden lassen sich nicht im Pro-Contra-Schema verorten. Dies lässt<br />
erwarten, dass der Diskurs in den klassischen Medien eher konfrontativ ausgerichtet ist, da<br />
sich politisch opponierende Kräfte tendenziell eher kritisieren, als neutrale. Diese Hypothese<br />
gilt es allerdings zu testen. 107 Ebenso kann die Hypothese aufgestellt werden, dass die<br />
Gäste in den politischen Debatten im Radio und Fernsehen eher nach dem Pro-Contra-<br />
Schema ausgewählt werden, um damit die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass eine „angeregte“<br />
Diskussion entsteht. Diese Hypothese müsste anhand einer qualitativen Untersuchung<br />
verifiziert werden, was aus forschungsökonomischen Gründen an dieser Stelle nicht<br />
geleistet werden kann. Mit 48.3% sind die BefürworterInnen in den klassischen Medien<br />
etwas stärker vertreten als die GegnerInnen mit 41.9%.<br />
Dieses leichte Übergewicht zugunsten der BefürworterInnen lässt sich nicht unmittelbar<br />
erklären. Eine erste Vermutung legte nahe, dass die bundesrätliche Einstellung zur Vorlage<br />
eine Rolle spielen könnte. Die Mitglieder des Bundesrats vertreten die vom gesamten Bundesrat<br />
gefasste Position zu einer Vorlage und werden als VertreterInnen der Regierung in<br />
einigen Sendungen regelmässig als DiskussionspartnerInnen eingeladen. Wie festgestellt<br />
werden konnte, stehen einem/r BundesrätIn mehr Redebeiträge und mehr Redezeit zur<br />
Verfügung als einem/r anderen AkteurIn. Betrachtet man indes jene Sendungen und Teilsequenzen,<br />
in denen ausschliesslich eine Position zu Wort kommt, fällt etwas anderes auf:<br />
Es gibt deutlich mehr Sendungen, in denen ausschliesslich BefürworterInnen zu Wort<br />
kommen als GegnerInnen, nämlich in zehn gegenüber vier Sendungen. Dabei ist augenfällig,<br />
dass es sich bei den TeilnehmerInnen, die eine positive Einstellung zur Vorlage aufweisen,<br />
vornehmlich um zentrums- <strong>oder</strong> peripherienahe AkteurInnen handelt. Nur in 3<br />
Fällen ist hier das Zentrum vertreten. In den Sendungen in denen nur GegnerInnen vertreten<br />
sind, gehören diese ausschliesslich dem Zentrum an. Eine mögliche Erklärung für das<br />
Übergewicht der BefürworterInnen liegt darin, dass die Spitzenverbände der Wirtschaft<br />
wie auch die Gewerkschaften, die in den genannten Fällen stark vertreten sind, die Vorlage<br />
befürworteten. Dies zeigt, dass eine höhere Inklusivität in Bezug auf die Akteursgruppen<br />
unter Umständen ein Ungleichgewicht bei der Inklusivität der Positionen generieren<br />
kann. 108<br />
106 Vgl. Kapitel 7.<br />
107 Vgl. Kapitel 7.1.<br />
108 Um dies abschliessend zu verifizieren wäre freilich eine eingehendere Untersuchung des Datenmaterials<br />
notwendig, in der v.a. auch die Verteilung der unterschiedlichen Positionen innerhalb einzelner Sendungen<br />
berücksichtigt werden müsste.<br />
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