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Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH

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Fazit: <strong>Stimmengewirr</strong> <strong>oder</strong> <strong>Dialog</strong>?<br />

intermediären Vergleich ähnlich ausgeprägt. 184 Ein wesentlicher Unterschied besteht indes<br />

darin, dass sich im Internet eine grosse Anzahl an Personen nur punktuell in die Diskussion<br />

einschaltet. Die Zahl der so genannten One-Poster ist mit mehr als der Hälfte aller Teilnehmenden<br />

sehr hoch und deutlich höher als die einmaligen Wortmeldungen in den klassischen<br />

Medien. Während in letzterem Fall – abgesehen vielleicht von der Gesprächssituation<br />

Phone-In – davon ausgegangen werden kann, dass solche AkteurInnen zumindest die<br />

Rolle als HörerIn kontinuierlich wahrnehmen, ist dies bei den Online-Foren keineswegs<br />

gewährleistet. Ob es sich bei den One-Postern um so genannte Lurker handelt, also passive,<br />

im Sinne von nur lesende Teilnehmende <strong>oder</strong> ob sie sich einfach aus der Diskussion<br />

ausklinken/verabschieden, bedürfte einer weiterführenden Untersuchung. 185 Mit Blick auf<br />

die Diskursqualität stellt sich somit die Frage, ob bei den Online-Foren überhaupt von einer<br />

Diskussion gesprochen werden kann. Zwar ist es möglich, dass ein bereits vorgebrachtes<br />

Argument von verschiedenen UserInnen fortgeführt, verteidigt <strong>oder</strong> kritisiert wird. Mit<br />

Blick auf den politischen Meinungsbildungsprozesses ist dieser Umstand aber als problematisch<br />

zu bezeichnen, da die Diskussion wenig Kontinuität aufweist. Eine detailliertere<br />

Analyse könnte bezüglich der personellen Struktur in den Online-Foren weitere Ergebnisse<br />

zu Tage fördern<br />

Da es sich beim konkreten Untersuchungsgegenstand um dialogische Formate zu nationalen<br />

Abstimmungen handelt, stellte sich im intermediären Vergleich zudem die Frage, ob<br />

sich Unterschiede bezüglich der Inklusivität von befürwortenden und ablehnenden Positionen<br />

ausmachen lassen. Insbesondere interessierte, ob die Online-Foren nicht nur entlang<br />

der Achse „Zentrum – Peripherie“, sondern auch bei einer allfälligen Dominanz der einen<br />

Position in den klassischen Medien kompensierend wirken würden. Es hat sich gezeigt,<br />

dass die BefürworterInnen in den klassischen Medien tatsächlich etwas stärker repräsentiert<br />

sind als die GegnerInnen. Eine Ursache hierfür dürfte darin liegen, dass bezüglich der<br />

berücksichtigten Abstimmungen eine Vielzahl zentraler Akteursgruppen die Ja-Parole gefasst<br />

hatte, so bspw. der Bundesrat, economiesuisse und der Gewerkschaftsbund. Ein<br />

Merkmal des inklusiven Diskurses – die ausgewogene Berücksichtigung verschiedener<br />

Akteursgruppen ist folglich konfligierend mit einer ausgewogenen Berücksichtigung gegenteiliger<br />

Positionen. Anders als in einer ähnlich ausgerichteten Studie festgestellt wurde<br />

(Wenzler 2003), nehmen die Online-Foren insgesamt im vorliegenden Fall keine Ventil-<br />

Funktion ein; die BefürworterInnen sind – mit einer Ausnahme (s.u.) – auch hier leicht<br />

überrepräsentiert.<br />

Die differenzierte Untersuchung nach Positionen lässt überdies generellere Aussagen über<br />

die Art der geführten Diskussion zu: Sowohl in den klassischen Medien als auch in den<br />

Online-Foren tauschen sich vornehmlich Personen mit opponierenden Einstellungen zur<br />

Abstimmungsvorlage aus, in beiden Mediengattungen ist demnach die Pro-Contra-Debatte<br />

vorherrschend. Bei einer solchen Kommunikationsstruktur können die Meinungen als bereits<br />

stark gefestigt gelten, die Wahrscheinlichkeit, dass AkteurInnen ihre Meinung im<br />

Verlauf der Diskussion ändern, ist gering bis nicht existent. Der Anteil an Personen, deren<br />

Abstimmungsabsicht nicht ersichtlich ist, ist in den Online-Foren jedoch signifikant höher<br />

als in den dialogischen Radio- und Fernsehformaten. Mit Blick auf die Diskursqualität<br />

184 Ein Unterschied besteht freilich darin, dass es sich bei den Teilnehmenden in den Diskussionsplattformen<br />

des Internets durchwegs um nicht-etablierte AkteurInnen handelt.<br />

185 Stegbauer, Rausch (2001) stellen in einer Untersuchung von wissenschaftlichen Mailinglisten fest, dass<br />

die Lurker immer die Mehrheit der Teilnehmenden ausmachen. In den von ihnen untersuchten Mailinglisten<br />

betrug ihr Anteil zwischen 56% und 81%. Sie konnten aufzeigen, dass wenn Teilnehmende zu lange in der<br />

Position als Lurker verharren, die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich zu einem späteren Zeitpunkt aktiv beteiligen,<br />

nur noch gering ist. Lurker in einem Forum zu sein, bedeutet allerdings nicht unbedingt, in anderen<br />

Foren dieselbe Position einzunehmen. Deshalb können sie aufgrund ihrer quantitativen Bedeutung innerhalb<br />

der Foren hinsichtlich der Übertragung von Inhalten in andere Kommunikationszusammenhänge bedeutsam<br />

sein, können potentiell also den Informationsaustausch zwischen verschiedenen Foren gewährleisten.<br />

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