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Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH

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Reziprozität <strong>oder</strong> ob die AkteurInnen wirklich miteinander sprechen<br />

wichtig sind, ist: Der Anteil an echter Bezugnahme liegt in den google.groups bei 22.2%,<br />

in den Foren der Medienverlagshäuser bei 18.9%. Das bedeutet, dass der Anteil an Personen,<br />

die um eine richtige Diskussion bemüht sind bzw. der Anteil an argumentativer Auseinandersetzung<br />

innerhalb des Diskurses ungefähr gleich hoch ist. Die Foren differieren<br />

lediglich in der oberflächlichen Bezugnahme bzw. im Verzicht auf eine Bezugnahme. Auf<br />

die Auseinandersetzung mit respektive Bezugnahme auf die Argumente der anderen Diskussionsbeteiligten<br />

hat der Anbieter keinen Einfluss. Die verschiedenen Foren eines Anbieters<br />

unterscheiden sich in diesem Punkt zudem deutlich voneinander. Diesbezüglich<br />

wäre es aufschlussreich, zu untersuchen, ob sich in den einzelnen Foren jeweils andersartige<br />

Communities bilden.<br />

Online-Foren: Sprachregionen<br />

Wie bereits festgestellt werden konnte, gibt es hinsichtlich der oberflächlichen Reziprozität<br />

Unterschiede auf sprachregionaler Ebene, die auf die unterschiedliche technische Struktur<br />

der Foren zurückgeführt werden konnten (s.o.).<br />

Reziprozität Online gesamt<br />

(n = 1985)<br />

Deutschschweiz<br />

(n = 1664)<br />

oberflächliche Bezugnahme 61.7% 64.2% 49.1%<br />

argumentative Bezugnahme 20.1% 20.6% 17.2%<br />

keine Bezugnahme 18.1% 15.1% 33.6%<br />

Tabelle 16: Qualität der Bezugnahme in den Online-Foren nach Sprachregion<br />

Westschweiz<br />

(n = 321)<br />

Bezüglich der argumentativen Bezugnahme hätte erwartet werden können, dass diese in<br />

den rein chronologisch geführten Foren höher ist. Denn während die Antwortmöglichkeiten,<br />

d.h. die Strukturierung der Threads bereits einen ersten Anhaltspunkt liefern, auf wen<br />

sich eine UserIn potentiell bezieht, kann eine Bezugnahme bei den chronologischen Foren<br />

nur verbal hergestellt werden. Ähnlich wie in einem Comic, bei dessen Lektüre die Abfolge<br />

der Bilder in Bezug zueinander gesetzt wird und die LeserInnen den Sinn der Aussage<br />

inferieren, können solche Inferenzen auch bei der Lektüre von Threads hergestellt werden<br />

(vgl. Sperber, Wilson 2004). Ob dies tatsächlich geschieht <strong>oder</strong> nicht, kann gemäss der hier<br />

angewandten Methode nicht operationalisiert werden. Dennoch ist es plausibel anzunehmen,<br />

dass die UserInnen in einigen Fällen darauf vertrauen, dass eine Bezugnahme hergestellt<br />

wird, wenngleich diese nicht expliziert wird und sie deshalb vermehrt oberflächliche<br />

Bezugnahmen herstellen.<br />

Diese Annahme bestätigt sich indes nicht: Wie die oberflächliche Bezugnahme ist auch der<br />

Anteil an argumentativer Bezugnahme in der Westschweiz niedriger als in der Deutschschweiz<br />

(17.2% bzw. 20.6%). Wiederum lassen die Unterschiede innerhalb der chronologischen<br />

und der strukturierten Foren keine abschliessenden Aussagen über die Ursachen<br />

dieses Ergebnisses zu.<br />

Kurzzusammenfassung: Die Annahme, dass der Diskursverlauf in Online-Foren gegenüber<br />

Radio und Fernsehen weniger reziprok ist, dass also die einzelnen Teilnehmenden weniger<br />

auf die Argumente der Anderen eingehen, hat sich nicht bestätigt. Allerdings ist die Reziprozität<br />

sowohl in den traditionellen elektronischen Medien wie auch im Internet überwiegend<br />

vordergründig. Dieser vordergründig responsive Charakter einer Äusserung wird<br />

sprachlich <strong>oder</strong> thematisch signalisiert, ohne dass aber ein weitergehender argumentativer<br />

Bezug damit verbunden wäre. Eine Auseinandersetzung mit den Argumenten der Anderen<br />

findet in beiden Mediengattungen lediglich in knapp einem Fünftel aller Bezugnahmen<br />

statt. Aufgrund der ähnlichen Ergebnisse im intermediären Vergleich bestätigt sich des<br />

Weiteren die Annahme, dass die Foren-Kommunikation trotz ihrer medialen Schriftlichkeit<br />

eher der spontanen Sprache zuzurechnen ist. In diesem Zusammenhang stellt sich die Fra-<br />

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