Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
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Thematisierung von Geltungsansprüchen <strong>oder</strong> wie begründet und worüber die AkteurInnen sprechen<br />
Organisationen bestimmt sind (vgl. Gerhards 1997). In Bezug auf vorgefasste Abstimmungsparolen<br />
bilden sich mitunter Allianzen, die bezüglich der Kritik an AllianzpartnerInnen<br />
restriktiv wirken dürften.<br />
M<strong>oder</strong>atorInnen als spezifische Akteursgruppe nehmen im <strong>Dialog</strong> u.a. die Aufgabe wahr,<br />
gemachte Aussagen an andere GesprächsteilnehmerInnen weiterzuleiten, Fragen zu stellen<br />
und das Gesagte zusammenzufassen. Nimmt die M<strong>oder</strong>ation v.a. die Funktion der Gesprächsführung<br />
ein, so ist der Anteil an Kritik für diese Akteursgruppe sehr gering. Erst<br />
wenn die M<strong>oder</strong>atorInnen die Rolle der Vermittlung zugunsten einer tatsächlichen Diskursteilnahme<br />
aufgeben, sind vermehrt kritisierende Geltungsansprüche zu erwarten. Dabei<br />
gilt es zwischen zwei diskursiven Strategien zu unterscheiden. Häufig bedienen sich die<br />
M<strong>oder</strong>atorInnen der jeweils gegnerischen Argumente und tragen diese an die TeilnehmerInnen<br />
heran, um so einen Diskussionsimpuls zu liefern (vgl. Holly et al. 1986: 120ff.).<br />
Diese Art, die DiskursteilnehmerInnen zu Äusserungen mit informativem Gehalt zu provozieren,<br />
wurde nicht als Kritik gewertet. Geltungsansprüche der M<strong>oder</strong>atorInnen, die als<br />
Kritik gewertet wurden, zielen hingegen entweder darauf, die Plausibilität der Argumentation<br />
zu prüfen <strong>oder</strong> berühren das Gesprächsverhalten der Diskursteilnehmenden, z.B. wenn<br />
diese den Gesprächsfluss durch mehrfache Unterbrechungen stören. „Provokation“ als<br />
Form der Gesprächsführung wird auch in den untersuchten Sendungen genutzt, was sich<br />
als Ergebnis u.a. darin widerspiegelt, dass die positionierten TeilnehmerInnen rund einen<br />
Viertel ihrer Kritik auf die M<strong>oder</strong>ation richten (26%).<br />
In den untersuchten Sendungen nehmen die M<strong>oder</strong>atorInnen überwiegend die Funktion des<br />
Übermittelns wahr: Nur 7.4% ihrer Geltungsansprüche zielen auf eine Kritik in obgenanntem<br />
Sinn. Diesbezüglich muss allerdings angefügt werden, dass es erhebliche Unterschiede<br />
zwischen einzelnen dialogischen Fernseh- und Radioformaten geben kann. In mehreren<br />
Sendungen äussern die M<strong>oder</strong>atorInnen überhaupt keine Kritik; die höchsten Werte wurden<br />
mit 38.5% aller Geltungsansprüche, die von der M<strong>oder</strong>ation geäussert wurden, in der<br />
„Rundschau“, einer Sendung von SF DRS erzielt sowie im öffentlichen Radio der Westschweiz<br />
im „Journal de 12h30“ mit 30%. 139 In letzterem Fall dürfte das Sendeformat keinen<br />
Einfluss auf das Ergebnis haben, da in den übrigen Sendungen von „Journal de 12h30“<br />
die Werte sehr niedrig sind. Bei der „Rundschau“ hingegen wäre es interessant, weitere<br />
Sendungen zu untersuchen, um zu überprüfen inwiefern dieses Ergebnis auf das Konzept<br />
der Sendung zurückzuführen ist (im Untersuchungszeitraum wurde jedoch nur eine Sendung<br />
zu den Abstimmungen ausgestrahlt).<br />
Kurzzusammenfassung: Im Vergleich zwischen den klassischen und den neuen elektronischen<br />
Medien besteht ein Hauptunterschied in der Fokussierung auf das Thema, was als<br />
Grundbedingung für einen deliberativen Prozess der politischen Meinungsbildung gelten<br />
kann. Die themenbezogene Diskussion ist in Radio und Fernsehen durch die Medien gewährleistet,<br />
indem die M<strong>oder</strong>ation die Diskussion jeweils auf das Thema zurückführen<br />
kann. Zudem dürften die mehrheitlich debattiergewohnten Teilnehmenden von sich aus<br />
davon absehen, Themen zu erörtern, die als deplatziert gelten könnten. In den Online-<br />
Foren bestehen bezüglich der thematischen Relevanz grosse Unterschiede zwischen den<br />
einzelnen Foren, wobei der Diskurs aufgrund grosser Anteile themenfremder Geltungsansprüche<br />
an Qualität einbüsst. Andererseits weisen die Ergebnisse hinsichtlich der kritischen<br />
Auseinandersetzung mit den Äusserungen anderer AkteurInnen darauf hin, dass in<br />
den Online-Foren ein grösseres Potential für die tatsächliche Auseinandersetzung mit Argumenten<br />
besteht und Kritik nicht nur auf eine jeweils gegenteilige Einstellung zur Abstimmungsvorlage<br />
ausgerichtet wird. Dies vornehmlich aus dem Grund, dass sich in den<br />
Online-Foren eine höhere Zahl an AkteurInnen kritisch äussert, die ihre Abstimmungsentscheidung<br />
nicht zu erkennen geben, während in den klassischen Medien die M<strong>oder</strong>atorIn-<br />
139 In SF DRS1, Rundschau, „Der heisse Stuhl“, 11.05.2005; RSR1, „Journal de 12h30“, 25.08.2005.<br />
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