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Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH

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Fazit: <strong>Stimmengewirr</strong> <strong>oder</strong> <strong>Dialog</strong>?<br />

mente der GesprächspartnerInnen ein als die Teilnehmenden. Dies, obschon mit vielen<br />

Aufgaben der Gesprächsleitung wie Wortmeldungen sammeln, Denkimpulse geben <strong>oder</strong><br />

das Rederecht verteilen eher eine oberflächliche Bezugnahme verbunden ist. Aus Sicht der<br />

RezipientInnen ist diese Aktivität positiv zu werten, hilft sie doch, einzelne Argumente<br />

zueinander in Bezug zu setzen. Im Fernsehen, wo sich oftmals mehrere AkteurInnen gegenüberstehen,<br />

da mehr Debatten als Interviews ausgestrahlt wurden, erlangt dieses Gesprächsverhalten<br />

auch etwas grössere Bedeutung. Was den kritisch reflektierten Umgang<br />

mit dem Gesagten angeht, fällt das Ergebnis indes weniger positiv aus. Die M<strong>oder</strong>ation ist<br />

eher selten darum bemüht, die vorgebrachten Geltungsansprüche auf deren Plausibilität hin<br />

zu prüfen. Diese aus Sicht der Deliberation zentrale Aufgabe wird von den Teilnehmenden<br />

zwar ebenfalls nur begrenzt wahrgenommen, aber immerhin stärker als von den M<strong>oder</strong>atorInnen.<br />

Diese stellen in den untersuchten Sendungen eher provokative Fragen, bedienen<br />

sich jeweils oppositioneller Meinungen, um mögliche Einwände zu formulieren und sind<br />

darum bemüht, die Teilnehmenden zu klaren Positionierungen zu bewegen. Allerdings<br />

konnte bezüglich des kritisch reflektierten Gesprächsverhaltens eine relativ hohe Varianz<br />

zwischen einzelnen Sendungen ausgemacht werden. Das Sendekonzept scheint hier also<br />

eine entscheidende Rolle zu spielen. Auf Ebene der Anbieter konnten diesbezüglich ebenfalls<br />

geringfügige Unterschiede festgestellt werden. Die M<strong>oder</strong>atorInnen greifen im öffentlichen<br />

Radio und Fernsehen etwas stärker in die Diskussion ein, indem sie die Argumentation<br />

kritisch beleuchten. Der Unterschied ist jedoch eher gering. Wiederum als generelles<br />

Ergebnis formuliert, hat sich gezeigt, dass die M<strong>oder</strong>atorInnen ihre Geltungsansprüche in<br />

der Mehrheit nicht begründen, was mit der von ihnen eingenommenen Rolle als Gesprächsleiterin<br />

zusammenhängt.<br />

Aus Sicht der Diskursqualität käme der M<strong>oder</strong>ation die Aufgabe zu, dafür zu sorgen, dass<br />

eine respektvolle Interaktion möglich ist. Eine Aufgabe, die – ordnet man das dialogische<br />

Format dem Bereich „Infotainment“ zu – dem Faktor „Unterhaltung“ zuwider läuft. Ein<br />

Indikator für die Frage, ob diese Aufgabe wahrgenommen wird, ist, ob die Diskussion in<br />

geordneten Bahnen verläuft <strong>oder</strong> ob vielmehr eine hitzige Auseinadersetzung stattfindet, in<br />

der sich die GesprächsteilnehmerInnen gegenseitig ins Wort fallen und mitunter beleidigend<br />

werden. Im Vergleich zu den Teilnehmenden verhält sich die M<strong>oder</strong>ation in den untersuchten<br />

Sendungen respektvoller: Sie unterbricht die Sprechenden insgesamt zwar häufiger,<br />

wahrt aber in der Hälfte aller Fälle bestehende Diskursnormen, indem die Unterbrechungen<br />

der Verständigung dienen (akustisch <strong>oder</strong> inhaltlich), explizit entschuldigt werden<br />

<strong>oder</strong> dadurch begründet sind, dass die Aufgabe der M<strong>oder</strong>ation vorsieht, das Rederecht<br />

ausgeglichen zu verteilen. Ebenso fällt sie im Vergleich zu den anderen Diskursteilnehmenden<br />

weniger dadurch auf, dass sie das Gesagte gewissermassen aus dem Off kommentieren<br />

<strong>oder</strong> den Sprechenden ins Wort fallen ohne im Anschluss daran auch einen Beitrag<br />

zur Diskussion leisten zu können. Versucht die M<strong>oder</strong>ation das Rederecht zu übernehmen,<br />

gelingt ihr dies häufiger als den Teilnehmenden, was dem beschriebenen Übernahme-<br />

Privileg geschuldet ist. Da die übrigen Teilnehmenden jedoch verstärkt den kommunikativen<br />

Respekt verletzen, kann also nicht davon gesprochen werden, dass die M<strong>oder</strong>ation ein<br />

respektvolles Diskursklima zu schaffen versteht. Eine mangelnde Bemühung diesbezüglich<br />

kann daran abgelesen, dass sie kaum eine Metakommunikation anregt, in der das Respektieren<br />

des Rederechts zur Diskussion steht. Während die M<strong>oder</strong>ation selber äusserst selten<br />

beleidigend wird, ist dieses Gesprächsverhalten bei den Teilnehmenden doch öfters festzustellen.<br />

192<br />

Von Interesse ist diesbezüglich auch die Frage, von wem und in welchem Masse der Diskurs<br />

personalisiert wird. Der „Infotainment“-Charakter der Sendungen wird vornehmlich<br />

192 Das mag auf konversationsanalytischer Ebene auch damit zusammenhängen, dass das Diskursverhalten<br />

der M<strong>oder</strong>ation von den anderen Teilnehmenden als konstitutiver Bestandteil der Rolle „M<strong>oder</strong>ation“ gesehen<br />

wird und daher keine „Vorbild-Funktion“ erfüllt, an der sich die DiskutantInnen orientieren.<br />

219

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