Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
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Thematisierung von Geltungsansprüchen <strong>oder</strong> wie begründet und worüber die AkteurInnen sprechen<br />
zung liess die Argumentation eines weiteren Referendumskomitees erwarten, das neben<br />
einem späteren EU-Beitritt auch „mehr Kriminelle“ und „mehr Arbeitslose“ befürchtete. 153<br />
In der zweiten Abstimmungsvorlage ging es darum, die bereits getroffene Regelung mit<br />
der EU bezüglich der Personenfreizügigkeit auf die zehn neuen EU-Staaten zu erweitern.<br />
Im Vertragswerk enthalten waren präventive Massnahmen, die einen Zuwanderungsstrom<br />
und befürchtete Nachtteile für schweizerische ArbeitnehmerInnen und -Arbeitssuchende<br />
unterbinden sollten. Während die Regierung bei einer Ablehnung politische und wirtschaftliche<br />
Nachteile befürchtete, prognostizierten die Referendumskomitees in ihren<br />
Hauptargumenten eine Zunahme des Lohndrucks, der Schwarzarbeit, der Einwanderung<br />
sowie eine Unterwanderung der Sozialwerke, weniger Wohlstand und mehr Arbeitslosigkeit.<br />
Aufgrund der angesprochenen Themen, insbesondere den Arbeitsmarkt betreffend,<br />
konnte in der Diskussion dieser Vorlage eher eine subjektiv gefärbte Auseinandersetzung<br />
erwartet werden. 154<br />
Welche der genannten Themen tatsächlich verstärkt diskutiert wurden, wird noch zu klären<br />
sein (s.u.). Bei beiden Vorlagen kann jedoch konstatiert werden, dass bezüglich der Effekte<br />
der Gesetzesänderungen auf die „Lebenswelt“ der StimmbürgerInnen sowohl von den BefürworterInnen<br />
als auch von den GegnerInnen nur Annahmen über potentielle Auswirkungen<br />
getroffen werden konnten. Dies z.B. im Gegensatz zu einer Abstimmungsvorlage über<br />
die Besteuerung, in der die Auswirkungen auf bestimmte Personengruppen konkret beziffert<br />
werden können.<br />
Wenn an dieser Stelle also die Hypothese aufgestellt wird, dass sich die thematische Ausrichtung<br />
einer Abstimmungsvorlage auf die grundlegende Struktur des Diskurses auswirkt,<br />
so bedürfte es für deren abschliessende Verifizierung einer weiterführenden Untersuchung,<br />
in der mehrere Abstimmungen, die unterschiedlich ausgerichtete Themen zum Gegenstand<br />
hätten, vergleichend analysiert würden. Stichprobenartig wurde jedoch untersucht, ob sich<br />
Werte für den Diskurs zur Abstimmung über die Erweiterung der Personenfreizügigkeit<br />
von jenen zur Schengen/Dublin-Vorlage unterscheiden. Der Vergleich innerhalb der klassischen<br />
Medien (nur Teilnehmende) zeigt, dass die subjektive Argumentation bei der zweiten<br />
Abstimmung (Personenfreizügigkeit) tatsächlich leicht stärker ist:<br />
Abstimmung Untersuchungseinheit<br />
(Geltungsanspruch) Sachlich Normativ Subjektiv<br />
Schengen/Dublin n = 1165 85.1% 0.9% 14.0%<br />
Personenfreizügigkeit n = 1838 80.4% 1.4% 18.3%<br />
Tabelle 21: Klassifizierung der Geltungsansprüche in den klassischen Medien (nur Teilnehmende)<br />
nach Abstimmungsvorlage<br />
Bei der Abstimmung zur Personenfreizügigkeit erheben die Teilnehmenden ihre Geltungsansprüche<br />
um 4.3% mehr auf der subjektiven Ebene als dies bei der Abstimmung zum<br />
Schengen/Dublin-Dossier der Fall ist. Dieser Wert kann jedoch höchstenfalls auf eine Tendenz<br />
hinweisen.<br />
Aufgrund der geringen Fallzahl normativer Geltungsansprüche wird bei nachfolgenden<br />
Analyseebenen auf einen eingehenden Vergleich dieses Wertes verzichtet. Besonderes<br />
Augenmerk soll indes auf die subjektive Ausprägung des Diskurses gerichtet werden, ins-<br />
153 Vgl. Abstimmungsunterlagen unter: Bundesbehörden der schweizerischen Eidgenossenschaft – „Schengen/Dublin“:<br />
http://www.admin.ch/ch/d/pore/va/20050605/explic/d-pp0100_pp8000.pdf [Stand:<br />
20.12.2006] .<br />
154 Vgl. Abstimmungsunterlagen unter: Bundesbehörden der schweizerischen Eidgenossenschaft – „Erweiterung<br />
der Personenfreizügigkeit“: http://www.admin.ch/ch/d/pore/va/20050925/explic/01-24_d.pdf [Stand:<br />
20.12.2006].<br />
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